Alles dreht sich im Kreis

Linke regiert seit 100 Tagen in Griechenland - Kommentatoren in Athen appellieren an Tsipras

Alles dreht sich im Kreis

dpa-afx Athen – Vom rasanten Start zum bedrückenden Stillstand: Die neue griechische Regierung unter dem Linken Alexis Tsipras zieht nach 100 Tagen im Amt eine ernüchternde Bilanz. Die großen und vollmundigen Versprechungen sind inzwischen verstummt. Stattdessen wird mit leisen Tönen versucht, die anhaltende Misere zu erklären.Am 25. Januar gewann das Bündnis der radikalen Linken (Syriza) die Wahlen. Schon einen Tag später wurde sein Chef Tsipras vereidigt, und einen Tag danach stand auch seine Regierung – mit den Rechtspopulisten der Partei der Unabhängigen Griechen als Partner. Tsipras wollte die Griechen vom “Joch” der Troika der Geldgeber befreien, Wachstum bringen und Arbeitslosigkeit bekämpfen.100 Tage danach ist die Stimmung in Athen bedrückt. Die Verhandlungen über eine Lösung des Finanzproblems des Landes drehen sich im Kreis. “Und der Kreis verwandelt sich zunehmend in eine Schlinge, die um den Hals des Landes immer enger wird”, sagt ein Diplomat eines großen Nicht-EU-Landes in Athen. Die Kassen sind leer, niemand investiert, Tausende Geschäfte machten dicht, Krankenhäuser brechen zusammen, es fehlt an Medikamenten, die Arbeitslosigkeit bleibt hoch – und dabei hatte Tsipras vieles und Großes versprochen. Griechenland bräuchte angeblich kein Geld mehr. Die Geldgeber wollte er überreden, weiter zu zahlen, bis er eigene Reformschritte umsetzt. Es lief genau umgekehrt: Die Geldgeber ließen ihn wissen, dass es Geld nur gibt, wenn er Reformen in Gang setzt. Seitdem legt Athen immer wieder neue Listen mit Maßnahmen vor, die von den Geldgebern meist als mangelhaft abgelehnt werden.Eine tragende Rolle in dem Drama spielte Tsipras’ “Popstar-Finanzminister” Giannis Varoufakis. Sein Motto ist die “produktive Undeutlichkeit”, wie er seine Politik nennt. Es geht um ein eigenartiges Finanz-Pokerspiel, in dem Athen und die Geldgeber bluffen, wie Varoufakis offenbar meinte. Als Sieger werde wohl derjenige herauskommen, der die stärksten Nerven hat. Das kam aber bei der Eurogruppe nicht an. Es kam zu einem Bruch und einem offenen Streit vor laufenden Kameras mit Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und danach auch mit den anderen 18 Ländern in der Eurogruppe. “Wir verlieren immer 18 zu 1”, monierte die griechische Opposition.Tsipras scheiterte zudem mit dem Versuch, eine Art Bündnis der Südländer gegen das aus Brüssel diktierte Sparprogramm zu schmieden. Portugal und Spanien wollten nichts davon wissen. Und Italiens Regierungschef Matteo Renzi empfing Tsipras freundlich, klopfte ihm auf die Schulter und riet ihm, sich an die Regeln zu halten. In der Zwischenzeit verschlimmerte sich die Liquiditätslage im Land. Um die Verpflichtungen Griechenlands und die Löhne der Staatsbediensteten zu zahlen, kratzte die Regierung auch die letzten Staatsgelder zusammen. Sogar Rentenkassen und öffentlich-rechtliche Unternehmen mussten dem Staat ihre Gelder überlassen.Kommentatoren in Athen spekulieren inzwischen darüber, wo das Problem zu suchen ist. Tsipras höre zu viel auf seine Partei – ein buntes Sammelsurium von Sozialisten, Ex-Kommunisten, Maoisten, Trotzkisten und anderen Linken. Er müsse jetzt handeln und begreifen, dass er Ministerpräsident des Landes und nicht nur ein Parteichef sei. Er müsse den Griechen nicht mehr das sagen, was sie hören wollten, sondern was sie hören müssten. Nämlich: Ohne neue harte Sparmaßnahmen, ohne eine Sanierung des Rentensystems wird Griechenland bald abstürzen.Und was tut Tsipras nun? Etwas scheint sich zu bewegen: Er hat Varoufakis in die Ecke gestellt. Die Verhandlungen mit den Geldgebern hat der untergeordnete Finanzexperte Eukleides Tsakalotos übernommen. Sicher ist auf jeden Fall: Griechenland hat nicht mehr viel Zeit.