Altmaiers gefährlicher Kurs

Von Stephan Lorz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 7.2.2019 Der Versuch von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der deutschen Wirtschaft industriepolitisch den Weg in die Zukunft zu bahnen, entbehrt nicht einer gewissen Komik. So sollen...

Altmaiers gefährlicher Kurs

Von Stephan Lorz, FrankfurtDer Versuch von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der deutschen Wirtschaft industriepolitisch den Weg in die Zukunft zu bahnen, entbehrt nicht einer gewissen Komik. So sollen Konzerne etwa vor ausländischer Übernahme geschützt werden, indem der Staat in einzelne Konzerne einsteigt; zudem maßt sich der Staat an, genau zu wissen, was die “richtigen” Innovationsentscheidungen sind, wenn die Politik mit “Projekten”, “Offensiven” und “Anschubfinanzierungen” der Wirtschaft den Weg weist. Aber kriegt nicht gerade der Staat als Eigentümer der Deutschen Bahn deren Probleme selber nicht in den Griff? Was ist mit der Misere bei der Bundeswehr, wo Bestellungen zu spät geliefert werden und dann noch immer nicht funktionsfähig sind? Oder nehmen wir die von der Politik orchestrierte Energiewende, wo es überall hakt, weil Energieträger zwar aus der Stromerzeugung genommen werden, man mit dem Leitungsbau aber nicht hinterherkommt und damit immer stärker von Stromimporten (ganz abgesehen vom russischen Gas) abhängig wird? Nährboden für PopulistenGanz zu schweigen von der beschworenen regierungsamtlichen Digitalisierungsoffensive, die ebenfalls nicht in die Puschen kommt. Dass in der Bildungspolitik alle politischen Ebenen mitreden wollen und hehre Ziele verkünden, diese aber letztendlich nie erreicht werden, weil sich Bund, Länder und Gemeinden dann gegenseitig im Weg stehen, verblüfft gar nicht mehr. Daran hat man sich gewöhnt. Nur noch ein mildes Grinsen zeichnet sich beim Publikum ins Gesicht, wenn wieder einmal eine neue “Bildungsoffensive” verkündet wird. All diese “Initiativen” haben über die Zeit einfach an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Auch dieses staatliche Versagen ist Nährboden für Populismus, weil die schiere Häufigkeit der fehlgeschlagenen Ankündigungen und Versprechungen vielen Bürgern zeigt, dass das etablierte politische Personal sich einfach als unfähig erweist.Marode Brücken, undichte Dächer in Schulen, die vorsintflutliche Ausstattung der Bildungseinrichtungen, die unzureichende digitale Anbindung und die defekten Regierungsflieger – der Zustand der deutschen Infrastruktur sollte eigentlich allen Beteiligten signalisieren, dass die Politik sich aus mikroökonomischen Entscheidungsprozeduren heraushalten und diese dem Markt und den Unternehmen überlassen sollte.Auch wenn inzwischen eine ganze Reihe von Ökonomen aus durchaus eigennützigen Gründen (Bekanntheitsgrad und Studienaufträge/Drittmittel) Gefallen daran findet, der Politik detaillierte Handlungsanweisungen aufzuschreiben, wie diese am besten in den Wirtschaftskreislauf eingreifen sollte – die allermeisten sind nach wie vor der Meinung, dass sich der Staat allein ordnungspolitisch in Szene setzen sollte: mit der nötigen Rahmengesetzgebung, die Innovationen fördert, Investitionen erleichtert, den Unternehmen gut ausgebildete Mitarbeiter zuführt, und dafür sorgt, dass dabei soziale Nachteile eingeebnet sowie via Umverteilung die Stärkeren den Schwachen helfen. Damit sind die deutsche Industrie und die heimischen Dienstleister eigentlich immer gut gefahren. Sinnvoller wäre es also, einer besseren Standortpolitik das Wort zu reden, damit hier investiert wird und Jobs geschaffen werden. Die neue Forschungsförderung ist hier allenfalls ein erster Ansatz. Unbeabsichtigte NebeneffekteEs ist auch deshalb gefährlich, jetzt einen industriepolitischen Kurs einzuschlagen, weil dieser erfahrungsgemäß immer tiefer in die gelenkte Staatswirtschaft führt. Denn in der Regel treten dabei stets unbedachte Nebeneffekte und Wechselwirkungen einzelner dirigistischer Maßnahmen auf, die natürlich ausgeglichen werden müssen durch immer neue Eingriffe in den Markt. Wohin das führt, zeigt derzeit der Energiesektor: Höhere Strompreise durch die Energiewende müssen für Industriezweige, die besonders viel Elektrizität benötigen, wieder heruntersubventioniert werden, was neue Ungerechtigkeiten erzeugt, die ausgeglichen werden müssen. So wird auch die Abschottung der deutschen Konzerne, mögliche neue Staatsbeteiligungen sowie der politisch verordnete Marsch in die Batteriewirtschaft weitere Eingriffe zur Folge haben, welche die Flexibilität dann in anderen Bereichen einschränken und – was das Schlimmste ist – Innovationen in anderen Sektoren als den geförderten einfach ersticken. Reziprozität entscheidendKeine Frage, dem Versuch ausländischer mehr oder weniger staatsabhängiger Unternehmen durch Kapitalbeteiligungen Innovationspotenzial aus der deutschen Wirtschaft für eigene Zwecke herauszuziehen, muss ein Riegel vorgeschoben werden. Eine Reziprozitätsklausel ähnlich der Meistbegünstigungsklausel im Handel wäre etwa angebracht, weil jede einseitige Einschränkung sonst zu einem Wettlauf des Protektionismus werden könnte. Das wäre schon deshalb schlecht, weil gerade die deutschen Unternehmen weltweit einkaufen und sich beteiligen – und auch mit ausländischem Know-how ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern. Jeder dirigistische Ansatz, wie er von Wirtschaftsminister Altmaier nun vorgelegt worden ist, wäre langfristig also fatal für die deutsche Exportwirtschaft.—–Die avisierte “Nationale Industriestrategie 2030” ist fatal für die deutsche Exportwirtschaft.—–