Halbzeitanalyse

Stiftung zieht positive Bilanz der Koalitionsarbeit

Die Bundesregierung hat laut einer Studie zur Mitte der Legislaturperiode 38% ihrer im Koalitionsvertrag gegebenen Versprechen umgesetzt und und bei weiteren 26% bereits mit der Umsetzung begonnen. Das ist weit mehr als es das negative öffentliche Erscheinungsbild der Ampel vermuten ließe, hieß es.

Stiftung zieht positive Bilanz der Koalitionsarbeit

Stiftung zieht positive Bilanz der Koalitionsarbeit

Bertelsmann-Studie: Zwei Drittel der Versprechen aus Koalitionsvertrag schon umgesetzt oder begonnen – "Vielversprechende Halbzeitbilanz"

Die Bundesregierung hat laut einer Studie zur Mitte der Legislaturperiode 38% ihrer im Koalitionsvertrag gegebenen Versprechen umgesetzt und bei weiteren 26% bereits mit der Umsetzung begonnen. Das ist weit mehr, als es das negative öffentliche Erscheinungsbild der Ampel vermuten ließe, hieß es.

ahe Berlin

Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat einer aktuellen Analyse der Bertelsmann-Stiftung zufolge zur Hälfte ihrer Regierungszeit bereits deutlich mehr Vorhaben umgesetzt, als es ihr derzeit negatives öffentliches Erscheinungsbild vermuten lässt. In der am Dienstag veröffentlichten Studie, die in Kooperation mit der Universität Trier und dem Progressiven Zentrum entstanden ist, ist von einer „sehr vielversprechenden Halbzeitbilanz“ die Rede, die allerdings auch noch Luft nach oben habe.

Laut Bertelsmann-Stiftung hatte die Bundesregierung Mitte August knapp zwei Drittel (64%) ihrer im Koalitionsvertrag gegebenen Versprechen schon umgesetzt (38%) oder mit der Umsetzung zumindest schon begonnen (26%). Insgesamt wurden in der Studie 453 Koalitionsversprechen aufgezählt, von denen mit 162 lediglich gut ein Drittel (36%) noch gar nicht angegangen wurden. 174 Vorhaben wurden dagegen schon – voll oder teilweise – erfüllt. 55 (12%) befinden sich im Prozess ihrer Erfüllung. Und weitere 62 (14%) werden zumindest schon „substanziell angegangen“.

Die Autoren der Studie sprechen von einem „ambitionierten Koalitionsvertrag“ und verweisen darauf, dass die Dreier-Koalition zu ihrem Start gut 50% mehr Versprechen abgegeben hat als die Vorgängerregierung. Diese habe in ihrem Koalitionsvertrag von 2018 lediglich 296 Versprechen aufgeschrieben. Und im Koalitionsvertrag von 2013 seien gar nur 188 Projekte aufgeführt gewesen. Die Ampel komme jetzt also auf fast zweieinhalb Mal so viele Projekte. Begründet wird dies von den Autoren zum einen mit der Komplexität der Verbindung aus drei programmatisch eigenständigen Parteien, aber auch mit dem höheren Ambitionsniveau der Koalition.

Viele Projekte der Grünen

Speziell aus dem Wahlprogramm der Grünen flossen dabei 72 Vorhaben in den gemeinsamen Koalitionsvertrag der Ampel ein, von denen bislang allerdings nur 20 umgesetzt wurden. Von der FDP kamen 45 Versprechen, von denen 21 schon jetzt umgesetzt sind, und von der SPD 19, von denen zehn bereits abgehakt sind. 139 weitere Versprechen stammten aus mindestens zwei Wahlprogrammen der Ampel-Parteien. Robert Vehrkamp, Demokratie-Experte der Bertelsmann-Stiftung, verwies darauf, dass die Große Koalition, die bis 2021 regiert hatte, zur Halbzeit der Legislatur schon 53% ihrer Projekte umgesetzt hatte. In absoluten Zahlen seien dies aber mit 154 weniger als bei der jetzigen Regierung gewesen. Das gelte für große Reformprojekte ebenso wie für kleinere. Vehrkamp sprach von einer "insgesamt sehr vielversprechenden Halbzeitbilanz" der Ampel, die aber auch überschattet und geprägt sei von öffentlich inszeniertem Koalitionsstreit und vielen offenen Baustellen.

Denn im Kontrast zum Ambitionsniveau und Umsetzungsstand ihres Koalitionsvertrages sieht die öffentliche Wahrnehmung die Ampel als "Streitkoalition": Einer repräsentativen Umfrage zufolge meinen nur noch 12% aller Menschen in Deutschland, dass von den vereinbarten Koalitionsversprechen "alle, fast alle oder ein großer Teil" umgesetzt werden. 43% aller Befragten gehen hingegen sogar davon aus, es werde nur "ein kleiner Teil oder kaum welche" umgesetzt. "Der öffentlich inszenierte Koalitionsstreit führt dazu, dass die tatsächliche Regierungsleistung und Umsetzungstreue unterschätzt wird. Deshalb braucht die Ampel einen Neustart in ihrer koalitionsinternen Zusammenarbeit und Selbstdarstellung", erklärte Wolfgang Schröder vom Progressiven Zentrum.

Laut Studie zeigte sich nur knapp ein Viertel der Menschen mit der Arbeit der Koalition zufrieden. Die SPD kam dabei auf 25%, die Grünen auf 23% und die FDP auf 22%. Die Unzufriedenheit mit den drei Parteien lag jeweils bei mehr als 60%. "Auffällig ist dabei, wie wenig die meisten Menschen zwischen den drei Regierungsparteien differenzieren", so Bertelsmann-Experte Vehrkamp.

Ähnlich wie Koalition 2019

Die Regierung werde von den meisten Menschen als Einheit gesehen. "Nur wenn die Ampel mehr Koalition wagt, wird sie bei den Wählern auch das Vertrauen ernten, das ihre vielversprechende Halbzeitbilanz eigentlich verdient hätte". Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Ampel eigentlich eine „funktionierende Koalition in vollem Lauf“ sei, die derzeit aber vor ähnlichen Herausforderungen stehe wie die Große Koalition 2019. Diese habe ebenfalls eine "rekordverdächtige Halbzeitbilanz" vorweisen können, zugleich aber ein sehr schlechtes öffentliches Image gehabt. Erst eine deutlich verbesserte Kommunikation und Außendarstellung habe wieder zu einem signifikanten Vertrauensgewinn geführt.

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