Ampel zeigt geringe Rezessionsgefahr

Konjunkturabsturz in Deutschland weniger wahrscheinlich - Signal bleibt aber auf Gelb

Ampel zeigt geringe Rezessionsgefahr

Nach dem fulminanten Jahresstart steigen die Sorgen um die deutsche Konjunktur wieder. Die Konjunkturampel von Kiel Economics allerdings gibt Entwarnung: Zwar bleibt sie auf Gelb, doch die geschätzte Rezessionswahrscheinlichkeit ist gesunken.ba Frankfurt – Die deutsche Wirtschaft hat zwar einen überraschend guten Jahresstart hingelegt, mit den einlaufenden Indikatoren für das zweite Quartal allerdings steigt die Wachstumsskepsis. Experten erwarten für das zweite Quartal nun eine schrumpfende Wirtschaftsleistung. Für die bislang robuste US-Konjunktur stehen die Zeichen mittlerweile ebenfalls auf eine leichte Abschwächung. Grund für weitere Sorgenfalten ist die inverse Zinsstruktur, so wie sie seit Mitte Mai in den USA sichtbar ist, denn diese war in der Vergangenheit häufig Vorbote einer Rezession. “Denn bei aufkommenden Rezessionsängsten werden Staatsanleihen in Anlegeraugen plötzlich sexy”, erklärt Carsten-Patrick Meier, Chef von Kiel Economics, einer Ausgründung aus dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Würden die Anleger aus Angst vor einbrechenden Unternehmensgewinnen bis hin zu Firmenpleiten ihr Geld in Staatsanleihen umschichten, um das gegenwärtige Renditeniveau zu sichern, “dann purzeln die Renditen im langfristigen Bereich unter die kurzfristigen”. Deutlicher ZusammenhangDer Zusammenhang von Zinsstruktur und dem Auftreten einer Rezession lässt sich deutlich erkennen (siehe Grafik). Seit 1970 ist jedem Jahr, für das vom Konjunkturzyklusdatierungskomitee des National Bureau of Economic Research im Nachhinein das Vorliegen einer Rezession festgestellt wurde, eine inverse Zinsstruktur zur Jahresmitte des Vorjahres vorausgegangen. In den 20 Jahren davor war der Nexus allerdings nicht sehr eng. Dem Anleihemarkt zufolge steht eine Rezession in den USA kurz bevor, auch wenn der Unterschied zwischen langfristigen und kurzfristigen Zinsen im historischen Vergleich noch nicht sehr ausgeprägt sei, so Meier. Denn den beiden letzten Rezessionen der Jahre 2008/09 sowie 2001/02 seien auch nur sehr schwache Signale durch eine Inversion der Zinsstruktur vorausgegangen, der Rezession von 1957/58 sogar nur eine Beinaheinversion.Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass 2019 ein Rezessionsjahr im Sinne des Zyklusdatierungskomitees wird, seit März nahezu unverändert bei relativ hohen 41 %, dem mit Abstand höchsten Wert seit Juni 2009 liegt, erscheint laut Meier entgegen dem klaren Signal des Anleihemarktes ein Fortgang des Aufschwungs nach wie vor etwas gewisser zu sein als ein Abbruch. Denn gemessen an der deutlichen Vorlaufzeit der Zinsstruktur von ein bis zwei Jahren und damit einem Rezessionssignal für die Jahre 2020/21 liegt der Ampelwert für 2020 mit 33 % “überraschend niedrig”.Ein wichtiger Grund liegt für Meier darin, dass sich der US-Aktienmarkt nach dem Einbruch um die Jahreswende wieder gefangen hat und hinter der jüngsten Inversion daher nicht der Lehrbuchfall einer Flucht vom Aktien- in den Anleihemarkt zu stehen scheint. Noch bedeutsamer sei allerdings, dass der Aktienmarkt nicht im Überschwang ist. Denn nicht wenigen US-Rezessionen seien im Vorjahr kräftige Kursgewinne vorausgegangen, insbesondere um die Jahresmitte. Dies war weder im vergangenen noch im laufenden Jahr der Fall. Seit Januar 2018 tendieren die US-Börsen seitwärts – “seit Donald Trump Präsident wurde, und das mag auch die seither herrschende deutlich erhöhte Volatilität der Kurse erklären”, ist Meier überzeugt. Andere Indikatoren vom Finanzmarkt zeigten ebenfalls nicht in Richtung Rezession. Die Anlegerstimmung hat sich nach der Eintrübung um die Jahreswende wieder deutlich aufgehellt, und auch die Spanne zwischen Unternehmensanleihen mit erstklassigem und mit weniger gutem Rating liegt nach einem vorübergehenden Anziehen Ende 2018 wieder etwa in der Nähe ihres langjährigen Durchschnitts. Einfluss Trumps ist spürbarDie Inversion der Zinsstruktur lässt sich Meier zufolge mit großer Wahrscheinlichkeit auch mit dem Druck erklären, den Trump seit längerem aufbaut und zuletzt erneut verstärkt habe: “Die Akteure an den Märkten haben gesehen, wie wenig Rücksicht dieser Präsident auf Institutionen und Personen nimmt – und angesichts einer Legislative, die ihn gewähren lässt, auch nicht nehmen muss”, so Meier. Wer sich in den Exekutivorganen dem Willen des Präsidenten nicht beuge, werde unabhängig von seiner Funktion ausgetauscht. Hinzu komme, dass Jerome Powell ein noch relativ unbeschriebenes Blatt sei, kein Ökonom und noch dazu von Trump selbst berufen wurde. Mit Blick auf diesen politischen Hintergrund gehe eine Eintrübung der wirtschaftlichen Lage heute mit der Erwartung einer stärkeren Lockerung der Geldpolitik durch die Fed einher, als es etwa unter dem Tandem Barack Obama/Janet Yellen oder George W. Bush/Ben Bernanke der Fall gewesen wäre. Die Märkte preisten eine raschere und/oder stärkere Lockerung der Geldpolitik ein, als es der gesamtwirtschaftliche Datenkranz allein nahelegen würde, erklärt Meier. Ähnliches Bild, geringer DruckDas Bild für Deutschland ähnelt dem der USA, allerdings “mit der Ausnahme, dass von nennenswertem direkten Druck auf die EZB glücklicherweise nicht gesprochen werden muss”. Die praktisch flache Zinsstruktur dürfte allerdings eher auf den kurzfristigen Impulsen vom US-Markt beruhen, statt auf einer genuinen Rezessionserwartung. “Die deutsche Konjunktur scheint sich alles in allem gefangen zu haben”, urteilt Meier. Zwar könne das Absturzszenario von Jahresanfang, das nach der Konjunktureintrübung in der zweiten Jahreshälfte 2018 möglich schien, nach wie vor eintreten – da sich die Geschäftserwartungen aber auf dem Stand vom Jahresanfang stabilisiert haben, sei es weitaus weniger wahrscheinlich geworden.Die Konjunkturampel zeigt für Deutschland weiter Gelb, die Rezessionswahrscheinlichkeit hat sich aber stärker als in den USA vermindert. Sie liegt nun bei 39 %. Für 2020 zeigt die Ampel eine immer noch erhöhte Rezessionswahrscheinlichkeit von 29 % an, sie liegt damit aber noch im grünen Bereich. “Ein klares Zeichen für eine Rezession in der zweiten Jahreshälfte würde anders aussehen”, betont Meier.