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Angela Merkel 65

Von Angela Wefers, Berlin Börsen-Zeitung, 13.7.2019 In ihrer unnachahmlichen kontrollierten Art hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Blick voraus auf ihren bevorstehenden halbrunden Geburtstag geworfen. Es werde ihr bewusst, dass man immer älter...

Angela Merkel 65

Von Angela Wefers, BerlinIn ihrer unnachahmlichen kontrollierten Art hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Blick voraus auf ihren bevorstehenden halbrunden Geburtstag geworfen. Es werde ihr bewusst, dass man immer älter werde, sagte Merkel auf Nachfrage in einer Pressekonferenz in Berlin. “Der 65. Geburtstag ist nicht ganz so markant wie der 60. oder der 70. Geburtstag, aber er liegt genau in der Mitte.” Man werde nicht jünger, aber vielleicht erfahrener, konstatierte sie. “Alles hat seine guten Seiten.” Am 17. Juli vollendet die Kanzlerin ihr 65. Lebensjahr – ein Alter, in dem andere sich auf den Ruhestand vorbereiten oder längst in diese Lebensphase eingetreten sind. Vierte Amtsperiode Seit 2005 ist Merkel deutsche Bundeskanzlerin. Sie regierte in den ersten vier Jahren mit einer großen Koalition, dann mit einem schwarz-gelben Bündnis und in ihrer dritten Legislaturperiode wieder in schwarz-roter Konstellation. Nach der Wahl 2017 kam es nur mit Mühen zu einer Neuauflage der großen Koalition. Alle Beteiligten schleppen sich seither mehr durch das Regierungsbündnis, als dass sie großen Schwung an den Tag legen. Bringt Merkel die Amtsperiode 2021 zum regulären Ende, kann sie es gemessen an der Amtszeit mit Helmut Kohl (CDU) – dem bisher am längsten amtierenden Kanzler der deutschen Nachkriegsgeschichte – aufnehmen.Ihren Rückzug von der CDU-Spitze hat Merkel im vergangenen Jahr eingeleitet. Seit 2000 führt sie die Partei, folgte Kohl und Wolfgang Schäuble nach, als die CDU in die Spendenaffäre geriet. Seit dem Parteitag im Dezember 2018 führt Merkels Wunschkandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer die CDU, hat aber noch erhebliche Startschwierigkeiten.Merkel hatte nach der für die CDU schlecht gelaufenen Wahl in Hessen im Herbst 2018 die Ausnahme von der machterhaltenden Regel begründet, dass Regierungs- und Parteiamt in einer Hand liegen müssen. Sie stellte sich nicht wieder zur Wahl als Parteivorsitzende und organisierte ihren Abschied auf Raten. Die Kanzlerschaft stellte sie damit aber nicht in Frage. Sie stehe für die gesamte Legislaturperiode bis 2021 zur Verfügung, sagte die Frau, die immer so vorsichtig formuliert, dass sie sich selten für einmal Gesagtes korrigieren muss. Dies impliziert, dass es nicht allein an ihr liegen könnte, ob sie auch ihre vierte Amtsperiode durchhält. Die große Koalition ist politisch fragil. Drei Zitteranfälle Merkels vor laufender Kamera in drei Wochen – anlässlich von zwei Staatsbesuchen und einer Amtsübergabe – haben ihr selbst und der Öffentlichkeit vor Augen geführt, dass auch eine unverwüstlich scheinende Natur ihre gesundheitlichen Grenzen haben kann. Ihr Wille, im Amt Politik zu gestalten, ist aber ungebrochen. Ständig auf AchseMerkel hat auch als Nur-Kanzlerin ohne das Parteiamt ein übervolles Programm. Im ersten Halbjahr reiste sie allein 21 Mal ins Ausland. Innenpolitisch hat sie zu tun, die Koalition zusammenzuhalten und in Europa voranzukommen. Die promovierte Physikerin steckt inhaltlich tief in den vielfältigen Themen, viel stärker als die meisten ihrer Vorgänger. Damit verblüfft und fordert sie oft genug die vermeintlichen Experten.Wirtschaftspolitisch hat Merkel wiederholt Wendungen vollzogen. Beim Parteitag 2003 in Leipzig beschloss die CDU – damals in der Opposition – ein Gesundheitsmodell sowie Steuerpläne, die stark marktwirtschaftliche Züge trugen. Verwirklicht wurde dies nicht. In Regierungsverantwortung wurden in der Ära Merkel die Sozialausgaben ausgeweitet. Sie steuerte Deutschland aber auch durch die Finanzkrise und die Staatsschuldenkrise. Glückliche Aufschwungsjahre Ein zehn Jahre lang anhaltender Aufschwung bescherte der Regierung Merkel steigende Steuereinnahmen und immer weniger Arbeitslose. Seit 2014 erlaubt dies einen ausgeglichenen Haushalt. In der Energiepolitik macht Merkel Kehrtwenden – zunächst zurück zur Atomkraft mit der FPD. Dann folgte der komplette Ausstieg aus dieser Energieform nach dem Kernkraftunglück von Fukushima in Japan.Schwer dürften auf Merkel die wachsenden Spannungen in der Welt lasten, seit durch zunehmende Globalisierung, Flüchtlingskrise und Handelskriege bis dahin international verlässliche Regeln und Werte auch von westlichen Bündnispartnern in Frage gestellt werden. Wachsender Populismus gefährdet die Demokratie. Freiheit ist für Merkel ein hohes Gut, das die ehemalige DDR-Bürgerin mit aller Macht verteidigt. Andere planen Karrieren. Ihren ungewöhnlichen Lebensweg hatte sie nie erträumt. Erst der Fall der Mauer machte ihn möglich.