Ermittlungsausschuss

Anklage gegen Trump ungewiss

Der Ermittlungsausschuss im US-Kongress zum Aufstand im Kapitol fordert eine Klageerhebung gegen den früheren Präsidenten Trump. Ob es dazu kommt, wird Justizminister Garland entscheiden, und er muss auch die politischen Konsequenzen im Auge behalten.

Anklage gegen Trump ungewiss

Von Peter De Thier, Washington

Kommt zum ersten Mal in der US-Geschichte ein ehemaliger US-Präsident hinter Gitter? Der Sonderausschuss zum Aufstand im US-Kapitol ist der Überzeugung, dass Trumps Rolle bei dem gescheiterten Coup – beschrieben wird er als die „zentrale Figur“ – strafrechtliche Folgen nach sich ziehen sollte. Die Entscheidung darüber, ob er angeklagt wird, liegt nun bei Justizminister Merrick Garland und der lässt sich nicht in die Karten schauen.

Nachdem die Mitglieder des Kongressausschusses über tausend Interviews geführt hatten und zahlreiche andere Beweise ausgewertet hatten, trat das Komitee am Montagabend ein letztes Mal zusammen. Im Mittelpunkt stand der mit Spannung erwartete Abschlussbericht, der am Mittwoch in voller Länge veröffentlicht wird. Das wichtigste aber ist schon bekannt: Wegen vier verschiedener Delikte, die ihm zur Last gelegt werden, empfiehlt der Ausschuss dem zuständigen Justizministerium, zum ersten Mal in der US-Geschichte einen früheren Präsidenten vor Gericht zu stellen. Wegen „Aufruhr“, genauer gesagt der Anzettelung eines Aufstands, wegen der Behinderung eines Kongressverfahrens und wegen Verschwörungen, um den Staat zu betrügen und vorsätzliche Falschaussagen zu machen.

Der Ausschuss zeichnete jedenfalls ein vernichtendes Bild des ehemaligen Präsidenten. Schon in den Tagen und Wochen vor dem Aufstand seien mit der Hilfe seines Anwalts John Eastman, der nach Ansicht des Ausschusses ebenfalls angeklagt werden sollte, hinter den Kulissen die Weichen für den Aufstand gestellt worden. Trump habe versucht, jeden, der ihm nicht helfen wollte, Präsident Joe Bidens Wahlsieg zu kippen, einzuschüchtern. Zu jenen, die er kontaktierte, zählten leitende Beamte des Justizministeriums, Wahlfunktionäre in den wichtigen „Swing States“ und Kongressmitglieder. Das Ziel sei nicht nur gewesen, an der Macht zu bleiben, sondern auch, 250 Mill. Dollar an Spenden zu sammeln, deren Verbleib bis heute unklar ist, so die Vorwürfe.

Politische Realität beachten

Darüber, welche Folgen die Empfehlung des Ausschusses für Trumps Zukunft hat, gehen die Meinungen auseinander. Andrew McCabe, früher stellvertretender Direktor des Bundeskriminalamts FBI, zweifelt an einem Prozess. „Justizminister Merrick Garland wird nur dann Anklage erheben, wenn er fest überzeugt ist, dass der Prozess zu einer Verurteilung führen kann“, so McCabe.

Anders sieht es der Enthüllungsjournalist Carl Bernstein, der vor 50 Jahren half, den Watergate-Skandal aufzudecken. Seiner Ansicht nach könnte Pat Cipollone, der im Weißen Haus der Rechtsberater des Präsidenten war, Trump zu Fall bringen. „Cipollone saß in den kritischsten Stunden jede Minute dabei, hat alles gesehen und gehört und kooperiert offenbar schon mit dem Justizministerium“, so Bernstein. Das wiederum könnte Garland zufolge den Anstoß geben, Trump den Prozess zu machen.

Andere weisen darauf hin, dass der Minister auch die politische Realität berücksichtigen muss. Viele Demokraten fürchten nämlich, dass es Trump gelingen könnte, sich gerade im Falle eines Freispruchs bei seinen Anhängern als politischer Märtyrer zu verkaufen und er davon letzten Endes sogar profitieren könnte.

Auf einem anderen Blatt steht die Frage, wie es um Trumps politische Zukunft bestellt ist, und die sieht weniger vielversprechend aus. Nicht wegen der Skandale oder des Putschversuchs, sondern wegen der zahlreichen Niederlagen bei den Zwischenwahlen, die er zu verantworten hat und die Republikaner, die sich zunehmend von ihm abwenden, ihm nicht verzeihen. Trump hat gute Chancen, ein freier Mann zu bleiben, weniger aber, als Präsident wiedergewählt zu werden.

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