Ardo Hansson 60
Von Mark Schrörs, FrankfurtSeinen 60. Geburtstag am Sonntag feiert Estlands Zentralbankchef Ardo Hansson im österreichischen Tirol. Vier Tage lang wird er über ein verlängertes Wochenende vor Ort sein und mit einem der beiden Söhne wandern gehen. Wie viele, die im Sommer Geburtstag haben, weiß auch Hansson, dass Mitte Juli schon viele Freunde und Bekannte in Urlaub sind – und es sich deshalb kaum lohnt, groß zu feiern. Eine größere Sause soll es dann aber nach der Sommerpause noch geben. In den USA geborenDas Reisen ist ein Hobby, das Hansson noch geblieben ist und das er genießt. Vieles andere ist hinten runtergefallen, wie er selbst erzählt – weil es ihm schlicht an Zeit fehlt. Als Zentralbankchef seines Landes und als Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), in dem er über die Geldpolitik im Euroraum und damit auch über Wohl und Wehe der Euro-Wirtschaft mitentscheidet, hat Hansson viel zu tun und ist viel unterwegs – zu EZB-Sitzungen, zu internationalen Tagungen, zu Konferenzen weltweit.Geboren ist Hansson in Chicago. Seine Eltern waren während des Zweiten Weltkriegs in die USA geflüchtet. Er studierte unter anderem an der renommierten Harvard-Universität und promovierte dort 1987 in Ökonomie. Als Estland 1991 unabhängig wurde, beteiligte er sich zunächst in verschiedensten Funktionen am Aufbau des Landes. 1998 wechselte er zur Weltbank. Dort arbeitete er zunächst als leitender Volkswirt für Länder des Westbalkans, später dann als Chefvolkswirt der Organisation in China. Im Juni 2012 rückte Hansson an die Spitze der estnischen Zentralbank. Im EZB-Rat gilt er als einer der wenigen “Falken”, also jener Notenbanker, die eine allzu aggressive und lockere Geldpolitik kritisch sehen – und damit auch als Verbündeter von Bundesbankpräsident Jens Weidmann in dem geldpolitischen Führungsgremium, das nach weit verbreiteter Einschätzung von “Tauben” dominiert ist. Den Kauf von Staatsanleihen etwa sieht Hansson skeptisch – auch wenn er zugleich immer wieder bemüht ist, um Verständnis für den EZB-Kurs zu werben. Im EZB-Rat genießt Hansson ob seiner ökonomischen Expertise einen guten Ruf. So ruhig und bescheiden er öffentlich auftritt, so klar bezieht er zugleich Position – hinter verschlossenen Türen wie auch öffentlich. Im Januar warnte er im Interview der Börsen-Zeitung eindringlich davor, die geldpolitische Wende im Euroraum zu langsam anzugehen, und er zeigte sich besorgt, dass viele Euro-Staaten schlecht vorbereitet seien auf eine Zinswende – wobei er in dem Kontext von einer drohenden “Zombifizierung” der Regierungen sprach (vgl. BZ vom 16. Januar).Hansson spricht neben Estnisch und Englisch auch ein wenig Französisch und Schwedisch – und er beherrscht auch etwas Deutsch. “Lufthansa-Deutsch”, wie er es selbst scherzhaft nennt – das soll heißen: geeignet, um an Bord Essen und Getränke zu bestellen. Kandidat fürs EZB-DirektoriumVielleicht bekommt Hansson künftig aber Gelegenheit, sein Deutsch zu verbessern: Er gilt manchem Experten als Kandidat für einen der bis Ende 2019 frei werdenden Posten im sechsköpfigen EZB-Direktorium in Frankfurt, das die EZB-Tagesgeschäfte verantwortet. Einige Beobachter halten Hansson beispielsweise grundsätzlich für einen guten Nachfolger von EZB-Chefvolkswirt Peter Praet, der Ende Mai 2019 ausscheidet – als Favorit gilt da aber Irlands Zentralbankchef Philip Lane.Einige Beobachter haben Hansson sogar als möglichen Außenseiterkandidaten für die Nachfolge von EZB-Präsident Mario Draghi im November 2019 auf der Rechnung – falls sich die Regierungen der großen Euro-Länder nicht auf einen der ihren einigen können.