Argentinien kommt nicht zur Ruhe

Präsident Mauricio Macri ist in Nöten - Cristina Kirchner könnte sich zur Wahl stellen - Peso unter Druck

Argentinien kommt nicht zur Ruhe

af Buenos Aires – Argentinien findet nicht zur Ruhe. Genau ein Jahr nach Beginn des Peso-Verfalls wurde das Finanzsystem erneut von einem Abwertungsschub erfasst, der die Landeswährung am Donnerstagmittag um fast 10 % ihres Wertes brachte, ehe die Zentralbank mit dem Verkauf von Zinspapieren im Wert von 30 Mrd. Dollar den Kurs wieder fast auf das Vortagsniveau einfangen konnte. Dennoch dürften die Währungsvolatilität sowie steigende Rohölpreise die Benzinpreise anfachen und einen neuen Teuerungsschub auslösen. Dem Drängen nachgegebenDabei hatte die Regierung von Mauricio Macri ein sechsmonatiges Preismoratorium für 60 grundlegende Nahrungs- und Hygieneprodukte erlassen. Macri, der solche Interventionen verabscheut, musste dem Drängen seiner sozialdemokratischen Koalitionspartner nachgeben. Im Monat März waren die Preise um 4,7 % angestiegen, im ersten Quartal 2019 kletterten die Preise um fast 12 %. Und das trotz jener massiven Rezession, die den privaten Konsum ebenso einbrechen ließ wie die Steuereinnahmen. Die miserable Stimmung, die sich längst über das ganze Land ausgebreitet hat, gefährdet Macris Wiederwahl im Oktober. Gleichzeitig steigen die Chancen der Opposition. Und vor allem jene von Cristina Fernández de Kirchner.Argentiniens neue Turbulenzen sind vor allem Folge einer Vertrauenskrise, darüber sind sich die Kommentatoren einig. Ende der Vorwoche publizierte das seriöse Umfrageinstitut Isonomia, dass Macri in einer Stichwahl im November gegen Kirchner verlieren würde, mit deutlichen neun Prozentpunkten Abstand. Und am Donnerstag titelte die “Financial Times” auf Seite 1: “Argentinien am Abgrund”.Dabei hatte die Regierung auf ruhigere Fahrwasser gehofft. Seit zehn Tagen fließen Dollar aus dem Verkauf einer Soja-Rekordernte ins Land. Zudem gab der Internationale Währungsfonds am 4. April 10,87 Mrd. Dollar Kredit an Argentinien frei. Es ist die vierte Rate der größten Leihgabe, die der Fonds jemals an ein Krisenland vergeben hat. Insgesamt bekam Argentinien im Vorjahr 57 Mrd. Dollar zugesagt. Mit Verweis auf die IWF-Milliarden und die Soja-Erlöse wiederholte der Finanzminister Nicolás Dujovne immer wieder, dass die Regierung genug Reserven besitze, um einem neuen Währungsverfall zu begegnen. Das Argument hat freilich einen Haken: Im Kreditvertrag mit dem IWF musste Argentinien akzeptieren, den Wechselkurs frei floaten zu lassen, im Rahmen einer Schwankungszone. Deren Obergrenze wurde kürzlich auf 51,85 Pesos festgeschrieben. Sollte der Dollarkurs diesen Wert überschreiten, darf die Zentralbank in gewissem Rahmen Greenbacks verkaufen. Der IWF will jedoch nicht zulassen, dass Argentinien seine Reserven für Stützungskäufe ausgibt und am Ende seine Staatsschuld nicht bedienen kann.Dieses Szenario fürchten viele private Gläubiger, sollte ein Peronist oder gar die an den Finanzmärkten verschriene Cristina Kirchner am 10. Dezember in die Casa Rosada einziehen. Darum verfielen argentinische Bonds und Aktien an Wall Street in der Vorwoche zuletzt massiv, mehrere Aktien büßten mehr als 10 % ein. Kandidatur noch unklarAllerdings hat die Ex-Präsidentin bislang noch gar nicht erklärt, ob sie überhaupt wieder anzutreten gedenkt. Erst am 22. Juni müssen die Bewerberlisten feststehen und Kirchner hat es sich seit Jahren zur Gewohnheit gemacht, ihre politischen Strategien erst im letzen Moment zu verkünden. Tatsächlich rechnen fast alle Leitartikler mit ihrer Kandidatur, aus triftigem Grund: Allein die Position an der Staatsspitze brächte der 2017 zur Senatorin gewählten Ex-Mandatarin genügend Einfluss, um die acht Strafverfahren auszuhebeln, die gegen sie und teilweise auch ihre Kinder anhängig sind.Dabei geht es um Korruption, aber auch um den nicht verjährenden Vorwurf, das schwerste Attentat der Landesgeschichte vertuscht zu haben. Am 21. Mai beginnt der erste Korruptionsprozess, an dem sie auf der Anklagebank wird Platz nehmen müssen. Macri hofft, dass ihm diese TV-Bilder helfen werden. Gute wirtschaftliche Argumente wird er bis Oktober wohl nicht finden.