Argentinien will seine Schulden später bedienen

Finanzminister Lacunza kündigt "Neuprofilierung" der Verbindlichkeiten an - Gespräche mit dem IWF

Argentinien will seine Schulden später bedienen

Von Andreas Fink, Buenos AiresArgentinien will seine Schulden später bedienen als ursprünglich vereinbart. Wie der neue Finanzminister Hernán Lacunza in Buenos Aires bekannt gab, sollen sowohl die Fälligkeitsdaten der Kreditrückzahlungen an den Internationalen Währungsfonds (IWF) als auch jene von kurz – und mittelfristigen Anleihen verändert werden. Diese “Neuprofilierung” der Verbindlichkeiten betreffe freilich allein die Laufzeiten der Papiere, nicht deren Wert. Die für die jeweiligen Titel geltenden Zinssätze sollen bis zum späteren Fälligkeitsdatum gelten. Lacunza betonte, dass diese Schritte allein Folge “kurzfristiger Liquiditätsengpässe” seien und keine grundsätzlichen Probleme mit der Zahlungsfähigkeit des Landes zugrunde lägen. Nervosität steigtSeit dem überraschend hohen Sieg der linksperonistischen Opposition bei den Vorwahlen am 11. August sind die argentinische Währung und die Finanztitel des Landes abgestürzt. Besonders erschwert wird die Situation durch ein Machtvakuum: Präsident Mauricio Macri ist weiter formell im Amt, aber die Märkte haben ihn abgeschrieben und erwarten Signale vom wohl künftigen Staatschef Alberto Fernández. Dieser kann jedoch vor der Präsidentenwahl am 27. Oktober weder Entscheidungen treffen noch Kabinettsposten vergeben. Dass gleichzeitig der IWF, Argentiniens einziger verbliebener Finanzier, derzeit ohne Chef ist, steigert die Nervosität zusätzlich.So erklärt sich, warum Argentinien am Mittwoch keinen Roll-over für auslaufende kurzfristige Schatzbriefe realisieren konnte. Weniger als 10 % der bisherigen Anteilseigner wollten ihre Anlagen erneuern. Der Rest wollte ausgezahlt werden. Dieses Geld hätte aus den Währungsreserven kommen müssen, welche die Regierung aber braucht, um den Wechselkurs des Peso zu stabilisieren. Und eine Auszahlung hätte den Peso zusätzlich belastet, denn die Investoren hätten sämtliche ausgezahlten Pesos gewiss in Dollars getauscht.Um einen neuen Abwertungs- und Inflationsschub zu vermeiden erließ Präsident Macri nun ein Dekret, das die Auszahlung der kurzfristigen Titel an institutionelle Anleger aufschiebt. Banken, Versicherungen und Fonds sollen am Fälligkeitstag 15 % der Einlagen abheben können, drei Monate danach 25 % und die restlichen 60 % nach sechs Monaten. Einzelpersonen bekommen hingegen ihre Ansprüche fristgerecht ausgezahlt. Insgesamt soll diese Maßnahme der Zentralbank in den nächsten Wochen 9 Mrd. Dollar sichern, um den Wert des Peso zu verteidigen. Nach offiziellen Angaben beziffern sich die Reserven der Notenbank auf mehr als 55 Mrd. Dollar. Davon seien aber maximal 16 Mrd. Dollar frei verfügbar, sagen Finanzmarktexperten. Mehrere Investmentfonds gaben am Donnerstag bekannt, ihre Operationen in Schatzbriefen vorläufig einzustellen.Eignern von mittel- und langfristigen Anlagen will Argentinien Angebote auf freiwilliger Basis unterbreiten, um die Fälligkeit von bis zu 60 Mrd. Dollar Verbindlichkeiten zu vertagen.Die Anfrage um Aufschub an den IWF stellte Lacunza bereits in dieser Woche gegenüber einer hochrangig besetzten Kommission des Fonds, die von Montag bis Donnerstag Buenos Aires besuchte. Diese nun von der Regierung Macri begonnen Gespräche sollen nach dem 27. Oktober von der neuen Regierung fortgesetzt werden. Die Oppositionsführer Fernández und Lavagna hatten von Macri seit Wochen verlangt, er solle dem IWF mitteilen, dass das Land die Rückzahlungen für den im September 2019 aufgelegten Rekord-Kreditvertrag über 56,3 Mrd. Dollar nicht fristgerecht ab 2021 wird leisten können. Er solle seiner Verantwortung Rechnung tragen und den Canossagang nicht dem Nachfolger aufbürden.Nach Informationen des Wirtschaftsblattes “Ambito Financiero” hat die IWF-Delegation das ähnlich gesehen. Die Abgesandten des Fonds hätten damit gedroht, die für Mitte September geplante Auszahlung der letzten großen Kreditrate über 5,4 Mrd. Dollar zu stoppen, falls Macris Regierung nicht selbst die Stundung beantragen sollte.