Corona-Bekämpfung

Asien gerät ins Hintertreffen

Viele asiatische Staaten, die die Corona-Pandemie zunächst im Griff zu haben schienen, melden immer höhere Neuinfektionen. Die Regierungen haben sich zu spät um ausreichend Impfstoff bemüht.

Asien gerät ins Hintertreffen

Von Martin Fritz, Tokio

Zahlreiche Länder in Asien, die ihre Covid-Infektionszahlen lange niedrig halten konnten, kämpfen mit einem unerwarteten Aufflammen der Pandemie und schränken soziale Bewegungen und Kontakte ein. Als Ursachen gelten Virus-Mutanten mit hoher Ansteckungsrate sowie die nachlassende Wachsamkeit von Behörden und Bevölkerung. Die Liste reicht von Thailand über Singapur und Taiwan bis nach Japan.

Gleichzeitig hinken viele dieser Länder in ihren Impfkampagnen dem Westen weit hinterher. Die Gründe ähneln sich: Einerseits sind diese Nationen oft auf den Import von Vakzinen angewiesen. Andererseits sahen die Behörden im festen Glauben, die Pandemie unter Kontrolle zu haben, keine dringende Notwendigkeit, die Beschaffung und den Einsatz der Vakzine früh voranzutreiben. Daher hat der Impfprozess vielerorts kaum begonnen.

Diese Entwicklungen drohen den erhofften Wachstumsschub in diesen Ländern zu verzögern und könnten in der Folge die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen. Denn der Mangel an Vakzinen und die lahmen Impfkampagnen bedeuten, dass die vollständige Öffnung des Einzelhandels sowie die Wiederaufnahme des Tourismus in weite Ferne rücken. Jedoch dürften viele Länder nach Ansicht von Analysten auf die neue Herausforderung mit verstärkten Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur reagieren.

Japan verlängert Notstand

Die Regierung in Japan verlängerte am Freitag den seit Ende April geltenden Notstand für die Hauptstadt Tokio und neun weitere Regionen bis zum 20. Juni, nur einen Monat vor Beginn der Olympischen Sommerspiele. Die Zahl der Neuinfektionen geht zwar seit dem Rekord von Mitte Mai wieder zurück, aber außer in der Hauptstadt sind mehr als 50% der Kapazitäten in den Krankenhäusern ausgelastet. In Osaka erhalten einige Erkrankte seit Wochen kein Bett mehr. Zwar nimmt die Impfkampagne Fahrt auf, aber erst 2,4% der Bevölkerung sind vollständig geimpft. Man leistet sich sogar den Luxus eigener klinischer Tests, obwohl sie kaum aussagekräftig sind. Dennoch verzichtet die Regierung wegen der Wirtschaft weiter auf einen Lockdown. Nur Restaurants, Kaufhäuser und Kinos müssen abends früher schließen. Die Bank of Japan erwägt nun, ihre Konjunkturhilfen über September hinaus zu verlängern. Zudem dürfte Premier Yoshihide Suga vor der Parlamentswahl im Herbst ein neues Konjunkturpaket auf den Weg bringen.

Anderen Nationen in Asien ergeht es kaum besser. Thailand verzeichnete am Donnerstag mit fast 5400 Infektionen die zweithöchste Tagesrate der Pandemie. Währenddessen wurden bislang erst 1,4% der Bevölkerung vollständig geimpft. Bei einer Impfquote von nur 3,2% meldete Malaysia am Donnerstag mit fast 8000 Neuinfektionen den dritten Tagesrekord in Folge. Indonesien ist mit einer vollständigen Durchimpfung von 3,8% auch nicht viel weiter. Die Industrienation Südkorea kann mit 4% ebenfalls nicht glänzen. Im Stadtstaat Singapur sind immerhin 28% der Bevölkerung zwei Mal geimpft. Aber ein Covid-Ausbruch unter ausländischen Arbeitern hat neue Einschränkungen ausgelöst. Darauf wurden die Sicherheitskonferenz „Shangri-La Dialogue“ im Juni sowie das verschobene World Economic Forum im August abgesagt.

Nach mehreren Monaten ganz ohne Infektionen erlebt auch das bisherige Vorbild Taiwan plötzlich rekordhohe Zahlen von über 500 Fällen, nachdem der Testeifer der Behörden stark nachgelassen hatte. Die Regierung in Taipeh rief die zweithöchste Alarmstufe aus, schränkte Menschenansammlungen ein und schloss Vergnügungsstätten. Nur 1% der Inselbewohner haben eine Vakzindosis erhalten. Nun hofft man darauf, dass Japan große Mengen des Impfstoffs von AstraZeneca liefern wird. Solche Signale gibt es aus Tokio: Das Mittel wird ab Juni in Japan hergestellt, aber dort nicht mehr benötigt, da schon genug im Westen eingekauft wurde.