Globale Mindeststeuer

Auch für Hochsteuerländer ein Problem

Mit dem Vorschlag der USA zu einem globalen Mindersteuersatz von wenigstens 15% für multinationale Konzerne steigen die Aussichten auf eine internationale Einigung im Sommer. Aber selbst für Unternehmen in Hochsteuerländern wie Deutschland kann die globale Mindeststeuer zum Problem werden.

Auch für Hochsteuerländer ein Problem

Von Angela Wefers, Berlin

Zum europäischen Finanzministertreffen in Lissabon kam die Nachricht wie gerufen. Die amerikanische Verhandlungsdelegation der Treasury-Steuerexperten hatte bei der OECD einen konkreten  Vorschlag für eine globale Mindeststeuer platziert. Wenigstens 15% sollen es sein – mit Luft nach oben in den weiteren Verhandlungen. Die USA ist mit der Biden-Administration und Finanzministerin Janet Yellen damit definitiv zurück am Verhandlungstisch bei der OECD. Dort ringen knapp 140 Länder nicht nur um eine globale Mindeststeuer (sogenannte Säule2), sondern auch um eine Lösung zur Besteuerung großer Digitalkonzerne (Säule1) – meistens mit US-Heimat. Da diese Tech-Firmen in den Marktländern, in denen sie ihre digitalen Leistungen anbieten, oft keine Betriebsstätte haben, zahlen sie dort auch keine Steuern – sehr zum Verdruss der dortigen Regierungen. Deutschland ist auch frustriert, wenn es um Tech-Giganten wie Amazon, Facebook oder Google geht. Der Fiskus greift vielmehr im Sitzland der Firmenzentrale zu.

Einigung im Juli angestrebt

Die in der OECD verhandelte Digitalsteuer soll weiterhin am Gewinn der Unternehmen anknüpfen, aber das Steuersubstrat zwischen Sitz- und Marktländern aufteilen. Die Trump-Administration hatte sich im Sommer 2020 im Zuge des US-Wahlkampfs aus den OECD-Verhandlungen zurückgezogen. Die ursprünglich für das Jahresende 2020 ins Auge gefasste politische Grundsatzeinigung – die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) maßgeblich vorantreibt – wurde in der G20, der Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer, damit unmöglich.

Die Hoffnung richtet sich nun auf Juli und das nächste G20- Finanzministertreffen unter Italiens Präsidentschaft in Venedig. Mit dem US-Vor­schlag ist ein Verhandlungsergebnis zumindest für die Säule 2, die Mindeststeuer, wahrscheinlicher geworden. Scholz frohlockte in Lissabon und nannte den Vorschlag einen „Durchbruch“. Sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire sprach von einem „guten Kompromiss“. Es gehe aber weniger um den Steuersatz an sich als darum, dass die Zeit dränge, macht Le Maire deutlich. Wichtig sei, dass die Einigung für die Mindeststeuer und auch über eine Digitalsteuer so schnell wie möglich komme –- spätestens während des G20-Treffens.

In Europa liegen unter dem Satz von 15% Irland, Bulgarien und Ungarn. Die Mindeststeuer soll den internationalen Wettlauf der Länder in Richtung niedriger Steuersätze stoppen. Politiker wie Scholz versprechen sich davon weniger Druck, um im Wettbewerb um günstige Steuerbedingungen für Unternehmen mithalten und damit auf Steuereinnahmen verzichten zu müssen. „Ein Steuersenkungswettbewerb, bei dem am Ende ein Ergebnis rauskommt, bei dem niemand mehr in der Lage ist, die öffentlichen Ausgaben zu finanzieren, kann nicht gut ausgehen“, betonte Scholz in Lissabon.

„Druck auf die Sätze bleibt“

Steuerrechtsprofessorin Johanna Hey von der Universität Köln macht indessen wenig Hoffnung, dass dieses Konzept hierzulande aufgeht. „Eine globale Mindeststeuer mit einem Steuersatz von 15% wird den Druck auf den deutschen Steuergesetzgeber, die Steuerlast auf ein international konkurrenzfähiges Niveau zu senken, nicht nehmen“, sagte Hey der Börsen-Zeitung. Deutschland liegt mit einem Unternehmenssteuersatz von fast 30% deutlich über dem EU-Mittel von 20,7% (siehe Grafik). Hey befürchtet vor allem schädliche Nebenwirkungen. „Stattdessen wird das Unternehmenssteuerrecht durch eine weitere Schicht hochkomplexer Abwehrregeln belastet“, konstatierte die Juristin. Auch die in den OECD-Verhandlungen geplante Begrenzung der neuen Vorgaben auf eine Gruppe von multinationalen Konzernen mit Umsatzerlösen von mehr als 750 Mill. Euro überzeugt sie nicht. „Es macht die Sache nicht besser, sondern wirft ungeklärte Rechtfertigungsfragen auf.“

„Besorgniserregende Eile“

Hey befürchtet auch, dass schon unkorrigierbar Pflöcke eingeschlagen werden, noch bevor die Auswirkung der geplanten Neuregelungen richtig klar ist. „Besorgniserregend ist der unbedingte Wille der EU, die globale Mindeststeuer schnellstmöglich in EU-Richtlinienrecht umzusetzen“, unterstrich Hey. „Sollte sich das Konzept als Irrweg herausstellen, stünde seine Abschaffung unter der Hürde der Einstimmigkeit.“