LEITARTIKEL

Auf der Bremse

Zum ersten Mal seit der Griechenland-Krise 2015 steht die Wirtschafts- und Währungsunion morgen wieder auf der Agenda der EU-Staats- und Regierungschefs. Doch aus dem groß angekündigten Euro-Gipfel wird jetzt kaum mehr als ein besseres...

Auf der Bremse

Zum ersten Mal seit der Griechenland-Krise 2015 steht die Wirtschafts- und Währungsunion morgen wieder auf der Agenda der EU-Staats- und Regierungschefs. Doch aus dem groß angekündigten Euro-Gipfel wird jetzt kaum mehr als ein besseres Arbeitsfrühstück. Die Erwartungshaltung könnte im Vorfeld kaum geringer sein. Es geht mittlerweile nur noch um ein Ausloten der Positionen in der Reformdebatte. Konkrete Entscheidungen oder zumindest eine ernsthafte Konsenssuche wird es nicht geben. Man wird sich einig sein, dass man sich noch nicht einig ist – und das Dossier an die Finanzminister zurückverweisen.Dies liegt nicht nur daran, dass mit Deutschland das größte Land der EU und der Eurozone zurzeit nicht entscheidungsfähig ist und bei allen wichtigen Vorschlägen auf der Bremse steht. Dies hat auch damit zu tun, dass aktuell keine Krise zu managen ist. Der Eurozone geht es in Bezug auf Wachstum und Beschäftigung gut wie lange nicht. Und die Zustimmung zum Euro ist europaweit so hoch wie seit der Einführung des Bargeldes 2002 nicht mehr. Es gibt keinen Druck der Märkte, in der Reformdebatte zu raschen Entscheidungen zu kommen, wie auch EU-Ratspräsident Donald Tusk in der Vorbereitung auf den Gipfel festgestellt hat. Der allgemeine politische Wille, Fortschritte zu machen, habe sich abgeschwächt, stellte er fest.Ideen, wie die Währungsunion in Erwartung künftiger Krisen wetterfester gemacht werden könnte, gibt es eigentlich genug. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat einen großen Strauß davon veröffentlicht. Und die EU-Kommission hat in der vorigen Woche auch schon konkrete Gesetzesvorschläge vorgelegt. Doch gerade dieses Paket hat einmal mehr gezeigt, wie weit die Positionen selbst bei angeblichen Konsensthemen noch auseinanderliegen.Nehmen wir zum Beispiel den Ausbau des Euro-Rettungsschirms ESM zu einem Europäischen Währungsfonds (EWF) – eine Forderung, die im Grundsatz breite Zustimmung in allen Lagern erfährt: Die EU-Kommission möchte den bislang auf Grundlage zwischenstaatlicher Verträge arbeitenden ESM nun über einen juristischen Kniff und einen Paragrafen, der üblicherweise nur für technische Anpassungen genutzt wird, ins EU-Recht überführen. Dabei haben die jüngsten Diskussionen in der Eurogruppe eines klar gezeigt: Eine breite Mehrheit der Euro-Staaten will keine Abkehr vom Intergouvernementalen, die eine Abgabe von Macht an die Brüsseler Behörde bedeuten würde.Diese begründet ihre Vorschläge damit, dass die Entscheidungen des ESM und künftigen EWF demokratischer und effizienter würden. Dabei werden aber Kompetenzen der nationalen Parlamente zugunsten des EU-Parlaments beschnitten, obwohl die Fondsmittel aus den nationalen Haushalten kommen. Und mit der geplanten weitgehenden Abkehr von der Einstimmigkeit bei Entscheidungen werden zugleich kleinere Länder ohne Vetorecht systematisch benachteiligt. Ein solches EWF-Modell ist bei den Euro-Ländern nicht mehrheitsfähig.Und auch an den anderen Vorschlägen der EU-Kommission gibt es berechtigte Kritik. Einführung eines EU-Finanzministers? Dies würde Rollen und Zuständigkeiten vermischen und die interinstitutionelle Kontrolle in der EU außer Kraft setzen. Neue Geldtöpfe zur Unterstützung von Strukturreformen und Konvergenzförderung? Unabhängig von möglichen Fehlanreizen bleibt unklar, wofür diese notwendig sind, gibt es mit dem EU-Haushalt und der bestehenden Kohäsionspolitik doch schon genügend Möglichkeiten zur Umverteilung.Man könnte die Liste noch erweitern. Sie zeigt, wie schwierig die Nachjustierung der Währungsunion noch wird. Morgen auf dem Euro-Gipfel soll es zunächst um drei Themen gehen, bei denen die Chancen zu einer Einigung angeblich am größten sind. Auf der Agenda stehen neben dem Währungsfonds noch eine Letztsicherung für den einheitlichen Bankenabwicklungsfonds sowie die vor allem in Deutschland weiterhin höchst umstrittene europäische Einlagensicherung. Über Haushaltsregeln, eine zusätzliche Fiskalkapazität bei besonderen Notlagen oder auch den EU-Finanzminister wird die Diskussion wohl nicht einmal eröffnet.Der Brüsseler Zeitplan, der konkrete politische Entscheidungen über Reformen im Juni vorsieht, erscheint zurzeit doch sehr optimistisch. Es ist beruhigend, dass unter dem Druck der Euro-Krise seit Beginn des Jahrzehnts der regulatorische und institutionelle Rahmen der Eurozone schon deutlich gestärkt wurde. Ob dies aber für die nächste Krise reicht, ist eher zweifelhaft.——–Von Andreas HeitkerIdeen, wie die Währungsunion wetterfester gemacht werden könnte, gibt es genug. Doch selbst bei angeblichen Konsensthemen ist eine Einigung noch in weiter Ferne.——-