DIE FOLGEN DER US-ZINSWENDE - KÖPFE DES JAHRES

Aufräumer

lz - Ökonomen sagt man bisweilen nach, dass ihre Forschungen nur in ihren realitätsfernen Modellwelten eine Bedeutung haben und an der Realität zerschellen würden. Die Finanzkrise hat der Zunft die letzten Reste an Ansehen gekostet. Seit es aber...

Aufräumer

lz – Ökonomen sagt man bisweilen nach, dass ihre Forschungen nur in ihren realitätsfernen Modellwelten eine Bedeutung haben und an der Realität zerschellen würden. Die Finanzkrise hat der Zunft die letzten Reste an Ansehen gekostet. Seit es aber mehr auf empirische Daten gestützte Forschungen gibt, scheint sich das Blatt zu wenden. Mehr und mehr können Ökonomen die Politik vorführen, weil sie deren Erfolg – oder besser: Misserfolg – nun quasi messen können.Ein Vertreter dieser neuen Gattung ist der diesjährige Wirtschaftsnobelpreisträger Angus Deaton. Die globale Entwicklungshilfeindustrie dürfte bei der Bekanntgabe des Preisträgers die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben, wirft er doch – gestützt auf umfangreiches Datenmaterial – den staatlichen, halbstaatlichen und privaten Hilfsorganisationen vor, mit ihren Projekten den dysfunktionalen Status quo vieler armer Länder eher zu festigen, statt zu verbessern – und diese noch weiter in die Abhängigkeit ausländischer Hilfszahlungen zu ziehen. Hilfsgelder und Projekte würden die Entwicklung lokaler Staatlichkeit unterminieren. Statt wie bisher immer mehr Geld in die Entwicklungshilfe zu pumpen, sollten die Geberstaaten lieber den Waffenhandel einschränken und ihre Handelspolitik überdenken, mahnt er.Deaton räumt mit seinen Forschungen verkrustete Vorstellungen in Politik und Ökonomie auf. Er zeigt etwa, dass die jetzt beklagte Flüchtlingskrise – neben dem Bürgerkrieg – auch eine Folge der globalen Ungleichheit ist, die sich über Hunderte von Jahren entwickelt hat. Das werde in der Ökonomie noch zu wenig thematisiert, findet er. Ein Grund mag auch darin liegen, dass die Wirtschaft bis vor kurzem noch von falschen Voraussetzungen des menschlichen Verhaltens ausgegangen ist. Deaton konnte zeigen, dass sich Konsumenten eben nicht rational verhalten, wie in vielen Theorien unterstellt (Homo oeconomicus), und dass sich ihr Ausgabeverhalten nicht unbedingt in der Entwicklung ihres Einkommens spiegelt.Der britisch-amerikanische Ökonom steht daher auch für den Neuanfang in der Ökonomie. Dies findet bereits seinen Niederschlag in den Forschungsansätzen vieler junger Wissenschaftler. Das dürfte der Politik nicht unbedingt gefallen. Denn nun muss sie sich wieder mit einer schon längst abgeschriebenen Zunft abgeben und auf ihre Argumente eingehen: der Ökonomie.