Ausgabenfreudige Linksallianz

Auch bei einer Koalition aus 5 Sternen und Partito Democratico drohen Konflikte mit Brüssel

Ausgabenfreudige Linksallianz

Mit neuen Bedingungen erschwert die 5 Sterne-Bewegung eine Regierungsbildung mit der Linkspartei Partito Democratico (PD) in Italien. Dennoch erscheint das Bündnis, das in seiner Budgetpolitik vor allem auf höhere Ausgaben setzt, als wahrscheinlichste Lösung.Von Gerhard Bläske, MailandOb es zur Bildung einer neuen italienischen Regierung aus 5 Sternen und Partito Democratico (PD) kommt, entscheidet sich in den nächsten Tagen. Vor allem in Fragen der Immigrationspolitik hat 5-Sterne-Chef Luigi Di Maio der PD so harte Vorgaben gemacht, dass die Linkspartei am Koalitionswillen der Populisten zweifelt. Die Parteien hätten aber im Abgeordnetenhaus und im Senat – mit Hilfe einiger kleinerer Gruppierungen – eine Mehrheit.Die Märkte haben auf die wahrscheinliche Einigung positiv reagiert. Die Aktienkurse steigen. Der Zinsabstand zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen ist deutlich gefallen. Und die EU-Kommission signalisiert Entgegenkommen.Der alte und vermutlich neue Premierminister Giuseppe Conte, der mit der Regierungsbildung beauftragt ist, bezeichnet die Verabschiedung des Haushalts für 2020 als prioritär. Ein weiterer Anstieg des Defizits und der Schulden ist nicht auszuschließen – auch wenn die von der bisherigen Regierungspartei Lega betriebene Einführung einer Flat Tax, die um die 15 Mrd. Euro gekostet hätte, vom Tisch wäre. Sonst wäre eine Budgetpolitik von 5 Sternen und PD wohl nicht so viel anders als die der bisherigen Koalition.Das Linksbündnis müsste 35 Mrd. Euro finden, um den Haushaltsfehlbetrag, der 2019 zwischen 1,9 und 2,0 % liegen dürfte, 2020 wenigstens leicht zu drücken. Einig sind sich beide, dass eine Erhöhung der Mehrwertsteuer verhindert werden soll. Damit fehlen 23 Mrd. Euro in der Kasse, für die Ersatz gefunden werden muss. Maßnahmen wie die Entlastung der unteren und mittleren Einkommensgruppen, Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen, die Digitalisierung, Schulen, Hochschulen und das Gesundheitswesen dürften zusammen ca. 12 Mrd. Euro kosten, so dass insgesamt 35 Mrd. Euro gegenfinanziert werden müssten. Eine so große Lücke könnte Brüssel bei noch so großem Entgegenkommen nicht akzeptieren.PD und 5 Sterne sind sich in vielen Punkten nicht einig. Ähnlich wie die Lega ist die PD für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, während die 5 Sterne dies ablehnen. Auch in der Frage des von den 5 Sternen geforderten Lizenzentzugs für den Autobahnbetreiber Autostrade, einer Tochter der zu 30 % von der Familie Benetton kontrollierten Holding Atlantia, sind die beiden Parteien unterschiedlicher Meinung. Gleiches gilt für die Frage der Autonomie für einige norditalienische Regionen, die von den 5 Sternen betriebene Verkleinerung des Parlaments, die die PD ablehnt, die Rettungsaktionen für die Fluggesellschaft Alitalia und die Krisenbank Carige sowie die Privatisierung der unter der PD 2017 teilverstaatlichten Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS).Und ein Großteil der Anhänger der populistischen Protestbewegung 5 Sterne unter Führung von Luigi Di Maio lehnt ein Bündnis mit dem als “Systempartei” bezeichneten Partito Democratico mit deren neuem Parteichef Nicola Zingaretti ab, obwohl die langjährige Regierungspartei dieser Bewegung ideologisch näher steht als die Lega. Es ist unklar, ob die 5-Sterne-Mitglieder dem Bündnis in der geplanten Mitgliederbefragung zustimmen werden. Auch in der PD ist die Allianz umstritten: Der in der Wirtschaft hochgeschätzte Ex-Industrieminister Carlo Calenda hat die Partei deshalb gerade verlassen.Ein klares Regierungsprogramm gibt es ebenso wenig wie eine Mannschaft. Bei der Budgetpolitik zeichnen sich aber Einigungslinien ab. Die 5 Sterne könnten Abstriche bei dem vorgezogenen Mindestrenteneintrittsalter, der Mindestsicherung, dem geplanten Mindestlohn von 9 Euro pro Stunde sowie eine “Spending Review” akzeptieren.Doch ob das reicht angesichts des im zweiten Quartal um 0,1 % geschrumpften Bruttoinlandsprodukts, wieder steigender Arbeitslosenzahlen und Vorgaben aus Brüssel, bleibt offen. Die EU-Kommission müsste Rom schon sehr weit entgegenkommen und die Koalitionspartner müssten schon sehr kompromissbereit sein, wenn sie ein halbwegs den EU-Vorgaben genügendes Budget vorlegen wollen.