Ausgerechnet Schweden, wer hätte das gedacht?

Von Stefan Paravicini, New York Börsen-Zeitung, 23.2.2017 "Ausgerechnet Schweden, wer hätte das gedacht?", rief US-Präsident Donald Trump am Wochenende bei einer Wahlkampfveranstaltung in Florida bald vier Monate nach Ende des Wahlkampfes seinen...

Ausgerechnet Schweden, wer hätte das gedacht?

Von Stefan Paravicini, New York”Ausgerechnet Schweden, wer hätte das gedacht?”, rief US-Präsident Donald Trump am Wochenende bei einer Wahlkampfveranstaltung in Florida bald vier Monate nach Ende des Wahlkampfes seinen verzückten Anhängern zu. Es ging um die Terrorgefahr durch radikale Islamisten, die angeblich gerade erst wieder bei einem Vorfall in Skandinavien unter Beweis gestellt worden war. Nicht nur die schwedische Botschaft bat um Aufklärung. Die Antwort: Trump hatte auf seinem Lieblingskanal Fox News eine Reportage über Schweden gesehen und war dabei irgendwie zu der Überzeugung gelangt, dass das Land Probleme mit Flüchtlingen aus muslimischen Ländern hat. Oder so ähnlich.Wenige Tage zuvor hatte Trump gemahnt, dass die Mordrate in den USA auf dem höchsten Stand seit mehr als 40 Jahren angekommen sei. Sie wisse nicht, auf welche Information sich der Präsident beziehe, erklärte Kellyanne Conway, die Beraterin des Präsidenten, dem Nachrichtensender CNN, der sich von Trump regelmäßig als “Fake News” beschimpfen lassen muss. Conway selbst, die sich gleich zum Start der neuen Regierung mit “alternativen Fakten” rund um die Angelobungsfeier unsterblich gemacht hat, klagte vor wenigen Wochen im Fernsehen darüber, dass US-Medien über Terroranschläge wie das Massaker von Bowling Green nicht ausreichend berichten. Das Massaker hat es genau wie den von Trump insinuierten Vorfall in Schweden nie gegeben. Sie sei dennoch froh, dass sie für die Gefahren des Terrorismus mediale Aufmerksamkeit geschaffen habe, erklärte Conway später einem verblüfften CNN-Journalisten stolz.Der Umgang der neuen US-Administration mit Fakten ist wohl auch für jene Beobachter gewöhnungsbedürftig, die den Rat von Investor und Firmengründer Peter Thiel befolgen, Trump “ernst, aber nicht wörtlich” zu nehmen. Die sogenannten “Mainstream-Medien”, die sich dennoch täglich mühen, die Behauptungen aus dem Weißen Haus in Bezug zur Realität zu bringen, sind freilich nicht die Einzigen, die um Deutungshoheit ringen. Längst ist auch Wissenschaftlern klar, dass ihnen das vernichtende Urteil “Fake” droht, wenn Erkenntnisse nicht zur politischen Agenda passen.Während Trump Ende Januar in Washington seinen Amtseid ablegte, versammelten sich an der Universität von Kalifornien in Los Angeles Informatikstudenten im Dutzend zu einer Art “Hackathon”, wie kollaborative Veranstaltungen dieser Art auch genannt werden. Anders als in den meisten solchen Fällen ging es bei dem Treffen nicht um die Entwicklung von Softwarecode oder Hardware, sondern um die konzertierte Sicherung von Daten, die US-Behörden in den vergangenen Jahren über die Entwicklung des Klimas gesammelt haben.Es war nicht die erste Veranstaltung dieser Art. Schon wenige Tage nach dem Wahlsieg Trumps im November und spätestens, nachdem mit Scott Pruitt ein neuer Leiter für die Umweltbehörde EPA vorgeschlagen war, der einen vom Menschen beeinflussten Klimawandel glatt in Abrede stellt, schlugen die ersten Klimawissenschaftler Alarm. Die Universität Toronto lud zum “Guerrilla Archiving”, in San Francisco rief das Internet Archive zum “Gov Data Hackathon”, die Universität Pennsylvania machte für die Initiative “DataRescue Philly” ihre Pforten auf.Es geht darum, die Datenschätze von Adressen wie der National Aeronautics and Space Administration (NASA), der National Oceanic and Atmospheric Administration oder der U.S. Geological Survey außerhalb der Reichweite der Regierung zu sichern für den Fall, dass sich die Administration von Datensätzen trennen möchte, die ihr nicht geheuer, weil nicht opportun sind.Panikmache im Elfenbeinturm? Mitnichten. Getreu dem Motto “Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß” hat das Weiße Haus auf seiner Homepage das Thema Klimawandel bereits deutlich zurückgeschraubt und auch die EPA zunächst angewiesen, entsprechende Informationen im Rahmen ihres Online-Auftritts zu überarbeiten. Berater des Transition Team haben derweil vorgeschlagen, die Nasa solle sich künftig weniger um die “politisch korrekte” Beobachtung des Wetters und wieder mehr um das Weltall kümmern.Doch die Klimaforscher sind nicht die Einzigen, die der neuen Regierung mit unliebsamen Daten im Wege stehen könnten. Auch in Behörden, die mit der Erfassung von statistischen Daten rund um die US-Volkswirtschaft betraut sind, wächst die Sorge, dass das Weiße Haus bald alternativen Fakten den Vorzug geben könnte. Bereits im Wahlkampf hatte Trump die offizielle Arbeitslosenstatistik verunglimpft. In der vergangenen Woche drang aus dem Umfeld des Weißen Hauses in die Medien, dass die Regierung über eine neue Methode zur Berechnung des Handelsdefizits nachdenkt, die die Kritik an bestehenden Handelsabkommen stützen würde. Ungewöhnliche VorgabenEbenfalls in der vergangenen Woche machten Informationen die Runde, wonach das Weiße Haus für den ersten Entwurf zu dem in den nächsten Tagen erwarteten Budgetvorschlag der Regierung für 2018 den zuständigen Fachabteilungen ungewöhnlich optimistische Wachstumszahlen vorgegeben hat, zu denen die Beamten die passenden Berechnungen liefern sollten. Bisher lief das eigentlich umgekehrt. Geht die Rechnung am Ende nicht auf, lag es vielleicht an fehlenden Wachstumsimpulsen aus Schweden. Ausgerechnet Schweden, wer hätte das gedacht? ——–Die US-Regierung gibt alternativen Fakten den Vorzug – auch mit Blick auf die Volkswirtschaft.——-