Außenhandel dürfte Euroraum anschieben
Außenhandel dürfte Euroraum anschieben
Bilanzüberschuss im Juni ausgeweitet – Nur wenige Prognoseänderungen im Konjunkturtableau
ba Frankfurt
Der Euroraum ist im zweiten Quartal "ganz gut gewachsen", wozu auch der Außenhandel beigetragen haben dürfte. Die Prognostiker fühlen sich derzeit mit ihren Voraussagen wohl, so dass sich im aktuellen Konjunkturtableau von ZEW und Börsen-Zeitung – auch für Deutschland – kaum Veränderungen finden.
Die Rezession im Euroraum scheint vorerst überwunden und die Ökonomen scheinen vorerst zufrieden mit ihren Prognoserevisionen der vergangenen Wochen. Als Nächstes ist nun wieder die Europäische Zentralbank (EZB) am Zuge, mit ihrer Zinssitzung im September und der Neuauflage ihrer Projektionen für Inflation und Wirtschaftswachstum. Innerhalb des EZB-Rats ist der weitere Zinskurs umstritten, EZB-Chefin Christine Lagarde hat zuletzt auch eine Zinspause als Option benannt – und nur eine geldpolitische Lockerung für September explizit ausgeschlossen. Das Wirtschaftswachstum ist zumindest aktuell kein Gegenargument, wie auch die jüngsten Außenhandelszahlen zeigen. Dies spiegelt sich auch im aktuellen Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) wider.
EU-Bilanz wieder positiv
Im Juni hat sich die Handelsbilanz des Euroraums unerwartet stark ausgeweitet. Laut dem europäischen Statistikamt Eurostat ergab sich saisonbereinigt ein Positivsaldo von 12,5 Mrd. Euro. Ökonomen hatten einen Überschuss von 4 Mrd. Euro erwartet, nachdem im Mai noch ein Plus von 0,2 Mrd. Euro ausgewiesen worden war. Der Überschuss kam zustande, weil die saisonbereinigten Importe in den gemeinsamen Währungsraum um 5,6% auf 224,6 Mrd. Euro sanken, die Warenexporte im Wert von 237,2 Mrd. Euro hingegen nur um 0,5% unter dem Vormonatsniveau lagen. Die Entwicklung in der EU verlief ähnlich: Während die saisonbereinigten Ausfuhren um 0,9% im Monatsvergleich sanken, fielen die Einfuhren um 7,4%. Somit ergibt sich saisonbereinigt ein Saldo von 12,8 Mrd. Euro. Im Mai war noch ein Defizit von 1,2 Mrd. Euro ausgewiesen worden, für April meldete Eurostat einen Negativsaldo von 10,4 Mrd. Euro. Im Regelfall verzeichnen sowohl die EU als auch der Euroraum Handelsbilanzüberschüsse.
"Ganz gut zugenommen"
Den am Donnerstag vorgelegten Eurostat-Zahlen zufolge dürfte der Außenhandel im Euroraum einen positiven Impuls für das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal gebracht haben. Länderdaten lassen bereits darauf schließen, dass sich auch der zuletzt schwächelnde Privatkonsum stabilisiert haben dürfte. Mit 0,3% zum Vorquartal habe das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) "wieder ganz gut zugenommen", urteilt ZEW-Experte Michael Schröder. Da allerdings die BIP-Zahlen für das vierte Quartal 2022 und das erste Quartal 2023 nach Bekanntgabe der vorläufigen Werte jeweils nach unten revidiert wurden, bestehe "eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass das ebenfalls bei den Zahlen für das zweite Quartal geschehen könnte". Auffällig findet Schröder, dass das Wachstum der 27 EU-Mitgliedsländer im zweiten Quartal lediglich stagnierte. Auch die deutsche Wirtschaft zeigte sich im Quartalsvergleich unverändert laut den vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes. Die Auguren scheinen derweil in den Wartemodus geschaltet zu haben und beließen die Prognosen im Konjunkturtableau für 2023 und 2024 sowohl für das Eurogebiet (0,6% und 1,3%) als auch für Deutschland (−0,3% und 1,2%). Deutschland hinkt damit nicht nur weiter den anderen Ländern des gemeinsamen Währungsraums hinterher: Es ist auch die einzige der großen Volkwirtschaften, die der Internationale Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr schrumpfen sieht, und zwar um 0,3%. In der vorherigen Version des Weltwirtschaftsausblicks lag die Voraussage noch bei −0,1%. Für den Euroraum hingegen gehen sowohl der IWF als auch die EZB von einem Wachstum von 0,9% aus, in der Frühjahrsprognose der EU-Kommission steht ein Plus von 1,1%.
Minischritt bei der Inflation
Die neuesten Inflationszahlen für das Eurogebiet zeigen einen weiteren leichten Rückgang. Im Juli betrug die Inflationsrate 5,3% nach 5,5% im Juni. Trotz der relativ schwachen Konjunktursituation reduzierte sich die Arbeitslosenquote von 6,5% im Juni auf aktuell 6,4%. Die Prognosen für Inflation und Arbeitslosenquote sind Schröder zufolge im Tableau jedoch so gut wie unverändert – lediglich die Inflationsprognose reduzierte sich leicht von 5,6 auf 5,5% für das laufende Jahr. Bezüglich der Geldpolitik erwarten die Experten, dass die kurzfristigen Zinsen 2023 noch etwas steigen werden. Der Jahresdurchschnittswert wird nun mit 3,7% angegeben, vergangenen Monat lag er bei 3,6%. "Anders gesagt, sie prognostizieren damit keine weitere Verschärfung des geldpolitischen Kurses", erklärt Schröder. Da die Inflationsrate 2024 mit 2,6% im Durchschnitt noch deutlich über der EZB-Zielmarke liegen soll, "gehen sie aber auch von keiner Lockerung aus".