LEITARTIKEL

Ausstieg vor dem Einstieg

Der starke Staat erlebt eine Renaissance in der Coronakrise. Auch die von der Epidemie finanziell angeschlagenen Unternehmen setzen Hoffnung in den Rettungsschirm, den Regierung und Parlament aufgespannt haben, um Unternehmen die Rückkehr in den...

Ausstieg vor dem Einstieg

Der starke Staat erlebt eine Renaissance in der Coronakrise. Auch die von der Epidemie finanziell angeschlagenen Unternehmen setzen Hoffnung in den Rettungsschirm, den Regierung und Parlament aufgespannt haben, um Unternehmen die Rückkehr in den normalisierten Geschäftsbetrieb zu ermöglichen. 400 Mrd. Euro Garantien für die Refinanzierung über den Kapitalmarkt und 100 Mrd. Euro zur Rekapitalisierung über direkte staatliche Beteiligungen stehen im Wirtschaftsstabilisierungsfonds, kurz WSF, bereit. Zum Vergleich: der Finanzmarktstabilisierungsfonds Soffin hatte von 2008 an in der Finanzkrise vier Institute in der Spitze mit fast knapp 30 Mrd. Euro rekapitalisiert. Neun Instituten sprang der Soffin mit Garantien von 168 Mrd. Euro zur Seite. Kredite und Garantien sind seit Mitte 2013 komplett abgelöst. Von den Beteiligungen ist dem Bund die Commerzbank geblieben.Diesmal wird mehr Geld nötig sein als in der Finanzkrise, da nicht nur eine einzelne Branche mit einer Schlüsselfunktion, sondern eine Vielzahl von Branchen von der Auswirkung der Corona-Epidemie betroffen ist. Rund 20 Unternehmen sollen bereits beim Bund wegen einer Staatsbeteiligung vorgefühlt haben. Offiziell nimmt der Wirtschaftsstabilisierungsfonds heute mit der konstituierenden Sitzung des interministeriellen Ausschusses seine Arbeit auf. Entscheidungen können allerdings erst fallen, wenn Brüssel die beihilferechtliche Freigabe für den Fonds erteilt hat. Diese steht noch aus, ebenso wie Rechtsverordnungen der Bundesregierung zu den Vergabebedingungen im Detail. Gerade auf diese konkreten Vorgaben wird es aber ankommen, ob das Wirtschaftssystem intakt aus der Coronakrise hervorgeht oder das neugewonnene Vertrauen in den starken Staat in die industriepolitische Verklärung führt.Denn es ist nicht damit getan, dass der Bund Beteiligungen eingeht. Er muss sie auch überwachen und managen. In den Kontrollgremien der Unternehmen in Staatseigentum sitzen dann Staatssekretäre oder andere Ministerialbeamte, die über unternehmerisches Handeln entscheiden. Nach der Bundeshaushaltsordnung darf der Bund ohnehin nur Beteiligungen halten, wenn er es gut begründen kann und dies auch alle zwei bis drei Jahre macht. Damit soll die Aktivität des Staates als Unternehmer auf das Nötigste beschränkt bleiben. Diesen Nachweis führte das Bundesfinanzministerium zuletzt Ende Januar im Kabinett und benötigte immerhin 274 Seiten, um das Interesse des Bundes an allen seinen Beteiligungen darzulegen. Dies zeigt: ist der Bund erst einmal an einem Unternehmen beteiligt, bleibt dies hierzulande oft eine Dauereinrichtung. Gute politische Gründe gibt es dafür immer. Die Commerzbank-Beteiligung, die nicht direkt der Bund, sondern der von der Finanzagentur des Bundes verwalteten Soffin hält, wird der Bund schon deshalb nicht mehr los, weil er damit derzeit für den Steuerzahler Verluste realisieren müsste.Schwierig ist nicht nur, welche Beteiligungen der Staat in der Krise eingeht, sondern wie er da wieder herauskommt. Soll dies gelingen, muss das Engagement des Wirtschaftsstabilisierungsfonds von vornherein befristet und auch die Form des Ausstiegs festgelegt werden. Dies schafft Transparenz auch für den Steuerzahler. Beim Soffin hatten erst im Nachhinein Wissenschaftler ihre Expertise zum Exit in einem Gutachten abliefern dürfen, das indessen wenig ausrichtete. Deshalb kommt es jetzt auf die genauen Bedingungen an, die für die Rekapitalisierung via Garantie oder Beteiligung festgelegt werden. Sichergestellt muss sein, dass nicht ohnehin angeschlagene Firmen in der Corona-Pandemie mit Steuergeld gerettet werden. Absehbar ist, dass Mittel aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds die Boni bei der Vergütung der Führungskräfte drücken, die Ausschüttung von Gewinn an die Eigentümer sperren und die konkrete Verwendung des Geldes vorgeben werden. Dies ist im Gesetz schon angelegt und wird in den Verordnungen noch ausbuchstabiert werden. Je strenger die Auflagen, desto besser wirken sie als Regulativ gegen den leichtfertigen Ruf nach Staatshilfe.——Von Angela Wefers Schwierig ist nicht nur, welche Beteiligungen der Staat in der Coronakrise eingeht, sondern wie er da wieder herauskommt. Dies muss er vorher fixieren.——