Auftragsbestand und Reichweite

Autobranche zieht Ergebnis nach unten

Im Februar sorgt erneut die Autobranche dafür, dass die Auftragsbücher der deutschen Industrie schmaler werden. Im ersten Quartal aber dürfte die Wirtschaft gewachsen sein, erwartet die Bundesbank.

Autobranche zieht Ergebnis nach unten

Auftragspolster der Industrie schwinden

Rückgang vor allem im Automobilsektor – Bundesbank erwartet leichtes Wachstum

ba Frankfurt

Das Auftragspolster der deutschen Industrie ist im Februar wegen der mittlerweile kaum noch nennenswerten Materialknappheiten etwas dünner geworden. Denn der Auftragsbestand der Automobilindustrie, der wegen der coronabedingten Lieferkettenprobleme 2021 kräftig angestiegen war, ist nun bei stark rückläufigen Auftragseingängen und gestiegener Produktion wieder auf das Niveau vom Jahresbeginn 2021 gesunken, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte. Im verarbeitenden Gewerbe insgesamt sei aber „das Niveau des Auftragsbestands im Februar 2024 nach wie vor deutlich höher als zu Beginn des Jahres 2021“.

Weniger Investitionen geplant

Wie schwach die Automobilbranche derzeit auf der Brust ist, zeigt sich auch an den Investitionserwartungen für das laufende Jahr. Der vom Ifo-Institut erhobene Indikator zeigt einen Rückgang von 34,0 Punkten im November auf nur noch 1,3 Punkte im März. Aber auch in der energieintensiven Chemiebranche ist das Barometer deutlich gefallen, wohingegen die Maschinenbauer wieder mehr investieren wollen. Wegen der global schwachen Nachfrage nach Investitions- und Vorleistungsgütern und der anhaltenden wirtschaftspolitische Unsicherheiten verschieben viele Unternehmen ihre Investitionsentscheidungen, erklärt Ifo-Konjunkturexpertin Lara Zarges. So sind die Ifo-Investitionserwartungen auf minus 0,1 Punkte im März gefallen, nach plus 1,2 Punkten im November. Am deutlichsten haben dabei die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes ihre Investitionsvorhaben gekürzt, aber auch der Handel hat die Planungen gekürzt. Die Dienstleister hingegen haben laut den Münchener Wirtschaftsforschern ihre Vorhaben für das laufende Jahr etwas erhöht.

Mehr Flieger im Bestand

Destatis meldet für Februar einen Rückgang des preis-, saison- und kalenderbereinigten Auftragsbestands um 0,2% zum Vormonat. Im Januar waren es bereits −0,9%. Verglichen mit dem Vorjahresmonat ergibt sich für Februar ein Minus von 5,8%. Für die Automobilindustrie verzeichnen die Wiesbadener Statistiker einen um 5,1% geringeren Auftragsbestand – der 13. Rückgang in Folge. Positiv auf das Gesamtergebnis wirkte sich hingegen der Anstieg um 1,1% im Bereich sonstiger Fahrzeugbau aus, zu dem Flugzeuge, Schiffe und Züge zählen. Mit Blick auf die Herkunft der Aufträge ergibt sich ein gemischtes Bild: Während die offenen Aufträge aus dem Inland um 0,6% zulegten, gab der Bestand an Aufträgen aus dem Ausland um 0,7% nach.

Reichweite steigt leicht

Gestiegen ist im Februar auch die Reichweite, also die Zeit, die die Unternehmen bei gleichbleibendem Umsatz theoretisch produzieren müssten, um die bereits vorhandenen Aufträge abzuarbeiten. Sie liegt nun bei 7,0 Monaten nach 6,9 Monaten im Januar. „Die etwas höhere Reichweite dürfte die gesunkene Kapazitätsauslastung nicht drehen“, mahnt aber Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Für die Produktion seien es dennoch schlechte Vorgaben, auch wenn gut sei, dass der Auftragsbestand nur langsam schrumpft. „Für mehr Schwung kommt es auf die Weltwirtschaft und weniger auf sinkende Zinsen an.“

Bundesbank erwartet BIP-Wachstum zu Jahresbeginn

Zuletzt hat die Industrieproduktion etwas zugelegt, die außergewöhnlich milde Witterung im Februar hat die Bauproduktion außerordentlich kräftig steigen lassen und auch die Warenexporte nahmen zu. Die Bundesbank erwartet in ihrem Monatsbericht April daher, dass das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal leicht zugenommen hat, nachdem es zum Jahresende noch um 0,3% geschrumpft war. „Die Konjunktur in Deutschland hat sich etwas aufgehellt, eine durchgreifende Belebung ist aber noch nicht gesichert“, belastende Faktoren würden anhalten, mahnt allerdings die Notenbank.

Hartnäckige Belastungsfaktoren

Denn die Industrieproduktion sei in vielen Wirtschaftsbereichen weiter schwach und ohne die stützende Wirkung der Witterung im Bau dürfte die Produktion wieder deutlich zurückfallen. Zudem dämpften die gestiegenen Finanzierungskosten und die erhöhte wirtschaftspolitische Unsicherheit die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Die Nachfrage nach deutschen Industrieerzeugnissen aus dem In- und Ausland sei nach wie vor schwach und tendenziell weiter rückläufig. Auch im Wohnungsbau sei der Negativtrend in der Nachfrage noch nicht gebrochen. Trotz des recht stabilen Arbeitsmarktes, kräftig steigender Löhne, sinkender Inflationsraten und somit sich erholender Realeinkommen seien die Privathaushalte weiter zurückhaltend mit ihren Konsumausgaben. „Es ist daher noch nicht ausgemacht, dass sich der Anstieg der Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal fortsetzt.“

Zumal die Inflationsrate in den nächsten Monaten stark schwanken dürfte. Nach einem erneuten Rückgang im April wegen des im Jahresvergleich frühen Ostertermins könnte der Wert im Mai auf etwa 3% zurückspringen, erwartet die Notenbank. Denn ein Jahr zuvor hatte die Einführung des Deutschlandtickets das Preisniveau gedämpft. Danach dürfte sich die Inflationsrate vor allem durch zuletzt wieder gestiegene Ölpreise und das weiterhin kräftige Lohnwachstum erhöhen.

IW: Höhere Inflation droht

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warnt in einer Studie denn auch, dass die hohen Forderungen der Gewerkschaften bei den im Frühjahr anstehenden Tarifverhandlungen in der Chemie- und Baubranche sowie dem Bankwesen die Inflation wieder hochtreiben könnten. Schon in den vergangenen Jahren seien die Löhne deutlich stärker gestiegen als die Produktivität, wodurch die Unternehmen gezwungen würden, die höheren Löhne auf die Preise zu überwälzen. Seit 2010 – nach dem Ende der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise und der Eurokrise – sind laut IW die Löhne, die Gewerkschaften und Arbeitgeber tariflich ausgehandelt haben, um fast 38% gestiegen. Die Produktivität habe hingegen nur etwa 11% zugelegt. Bei steigender Teuerung sei es für die Europäische Zentralbank (EZB) immer schwieriger, ihr Preisziel von 2% zu erreichen, und sie müsse daher länger an ihrem restriktiven Kurs festhalten. „Das würde das Wachstum weiter bremsen und ist ein Szenario, das niemand wollen kann“, mahnt IW-Forscher Hagen Lesch. Die Gewerkschaften seien „deshalb gut beraten, Maß zu halten“.

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