VON DER IWF-JAHRESTAGUNG - IM GESPRÄCH: GERHARD HOFMANN

"Bankenstrukturpolitik ist nicht Aufgabe der EZB"

Das BVR-Vorstandsmitglied kritisiert Aussagen der Notenbank zu Fusionen - Geldpolitik gefährdet zunehmend Finanzstabilität

"Bankenstrukturpolitik ist nicht Aufgabe der EZB"

Von Mark Schrörs, zzt.WashingtonDie Genossenschaftsbanken haben die Europäische Zentralbank (EZB) wegen Aussagen zu mehr Bankfusionen in Europa und vor allem grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen von Instituten scharf attackiert. “Solche Aussagen sind absolut nicht nachvollziehbar. Bankenstrukturpolitik ist nicht Aufgabe der EZB. Die EZB überschreitet hier ihr Mandat”, sagte Gerhard Hofmann, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), der Börsen-Zeitung am Rande der Jahrestagungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Bankenlobby IIF. Mit Größe steigt Risiko”Die Struktur eines Banksystems sollte sich am Markt entscheiden und verändern, nicht durch Politik oder Aufsicht bestimmt werden”, sagte Hofmann, der lange Jahre selbst Bankenaufseher bei der Bundesbank war. Er warnte zudem davor, das Heil in einer größeren Konzentration in den Bankensystemen zu suchen. Das stehe auch dem Ziel der internationalen Regulierung, das Too-big-to-fail-Problem zu lösen, entgegen. “Die Größe einer Bank, deren Komplexität und das von ihr ausgehende systemische Risiko sind stark korreliert”, sagte er.Gleich eine ganze Reihe von EZB-Vertretern hatte zuletzt mit Aussagen über mehr grenzüberschreitende Bankfusionen aufhorchen lassen – darunter die oberste Bankenaufseherin der Notenbank, Danièle Nouy, und der französische Zentralbankchef François Villeroy de Galhau. Vielfach wurden diese Kommentare interpretiert als Forderungen nach mehr Konsolidierung. EZB-Präsident Mario Draghi zeigte sich zudem mehrfach besorgt über die Überkapazitäten in Europas Bankensektor.Auch EZB-Direktoriumsmitglied und -Bankenaufseherin Sabine Lautenschläger hatte jüngst im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, “gerade im aktuell schwierigen Ertragsumfeld können auch grenzüberschreitende Fusionen durchaus Charme haben” (vgl. BZ vom 30. September). So verbesserten sich etwa Möglichkeiten zur Risikodiversifikation. Sie sagte aber, dass die Aufseher keine Strukturpolitik betrieben.Hofmann kritisierte solche Aussagen aus den Reihen der EZB: “Nach welchen Kriterien beurteilt die EZB, wie der Bankensektor aufgestellt sein soll?” Es sei richtig, wenn sich die Aufsicht um Probleme wie den hohen Bestand an ausfallgefährdeten Krediten (Non-Performing Loans, NPL) in Italien kümmere. Strukturpolitik überschreite aber ihre Zuständigkeit, so Hofmann.Insbesondere stößt Hofmann auf, dass die EZB-Aussagen teils wie eine Replik auf die Kritik nicht zuletzt der deutschen Banken an der EZB-Geldpolitik erschienen. “Das kommt nicht gut an”, sagte er. Die Unterstützung für die EZB in Deutschland sei deutlich gesunken. “Das ist eine mittelfristig gefährliche Entwicklung.”Die deutschen Banken und die EZB liefern sich seit Wochen einen Schlagabtausch. Die Institute halten die lang anhaltende Niedrig- und Negativzinspolitik für wesentlich verantwortlich für die Probleme im Sektor. Die EZB um Notenbankchef Draghi kontert, die Sicht der Banken sei zu einseitig, weil die Geldpolitik auch positive Effekte auf die Banken habe. Einige Notenbanker sind auch der Ansicht, die Institute wollten nur von eigenen Problemen ablenken.In Washington gingen auch der Bundesverband deutscher Banken (BdB) und der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) wieder hart ins Gericht mit der EZB. DSGV-Präsident Georg Fahrenschon warnte gar vor einer “geldpolitischen Planwirtschaft” im Euroraum.Auch Hofmann bekräftigte die Kritik an der EZB-Politik: Die positiven Effekte seien zumal in der Abwägung mit den Risiken “zu winzig”. Der Kurs zerstöre die Anreize auf Seiten der Regierungen, Schulden abzubauen und Reformen durchzuführen: “Zugleich werden gesunde Strukturen und Geschäftsmodelle durch die EZB-Politik untergraben. Das gilt für das traditionelle Sparen, die Altersvorsorge, die Lebensversicherungen – eines der risikoärmsten Geschäfte in der Vergangenheit.”Insbesondere kritisierte Hofmann, dass die EZB die Risiken für die Finanzstabilität nicht stärker in ihre Überlegungen einfließen lasse: “Diese Risiken nehmen deutlich zu.” Die “unnatürlich gestiegenen Aktienkurse” seien fast nur geldpolitisch getrieben und nicht mehr fundamental, von den Unternehmensgewinnen. Ähnliches gelte auch für die Anleihemärkte und die Immobilienmärkte. “Die Sorge um die Finanzstabilität ist ein natürliches Mandat aller Notenbanken – ob das nun explizit in den Statuten steht oder nicht. Die EZB darf diese Risiken nicht weitgehend ausblenden”, sagte Hofmann. Es sei auch nicht angemessen, darauf zu setzen, dass bei Problemen die neue makroprudenzielle Aufsicht die Risiken eindämmt. “Diese Politik steckt noch in den Kinderschuhen”, so Hofmann: “Die makroprudenzielle Aufsicht ist kein Ersatz für eine gute, ausgewogene Geldpolitik.”Hofmann sieht in der Geldpolitik der EZB und anderer Notenbanken auch einen wesentlichen Grund für eine zunehmende Frequenz turbulenter Phasen an den Finanzmärkten mit hoher Volatilität. Er verwies etwa auf den jüngsten “Flash Crash” beim britischen Pfund und teils heftige Ausschläge an den Anleihemärkten: “Die abnehmende Liquidität, erheblich getrieben durch die EZB-Politik, wird mehr und mehr zum Problem.”Mit ihrer Politik erschwere die EZB zudem indirekt die Debatte über ein Ende der Nullgewichtung von Staatsanleihen in der Finanzregulierung. Sein Argument: Die Niedrigzinspolitik erlaube den Staaten eine immer höhere Verschuldung ohne großen Anstieg der Zinskosten. Wenn die EZB dann eines Tages die Anleihekäufe einstelle, bräuchten die Staaten die Banken umso mehr als Ersatz-Kreditgeber. “Der Anreiz, die Privilegierung von Staatsanleihen abzuschaffen, tendiert bei dieser Aussicht Richtung null”, sagte er.Äußerst besorgt zeigte sich Hofmann über die laufende Debatte im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht über die Überarbeitung von Basel III – von Banken oft “Basel IV” genannt. “Aktuell ist die große Gefahr, dass der Baseler Ausschuss trotz der Beteuerungen seines Vorsitzenden Stefan Ingves sein selbst gestecktes Ziel nicht erreicht, dass die Kapitalanforderungen durch die Überarbeitung nicht signifikant steigen sollen”, sagte Hofmann. Er warnte zudem vor Wettbewerbsproblemen: “Gleiche Regeln in Basel würden zu sehr unterschiedlichen Auswirkungen in Europa und den USA führen. Das Level Playing Field zwischen Europa und den USA steht zur Diskussion.”Je weniger ausgewogen die Vorschläge des Baseler Ausschusses mit einem merklichen Anstieg der Kapitalanforderungen in Europa von 30 % oder mehr bei gleichzeitig rückläufigen Anforderungen in den USA würden, desto stärker wiege das Argument der fehlenden demokratischen Legitimation des Baseler Ausschusses. “Derzeit verliert der Baseler Ausschuss an Akzeptanz beim europäischen Gesetzgeber und der Politik”, sagte der Ex-Bankenaufseher. Basel-Ausschuss in der KritikHofmann sieht einen “kritischen Moment der internationalen Kooperation im Baseler Ausschuss” gekommen: “International harmonisierte Regeln sind ein Wert an sich, den alle schätzen, aber die Arbeit des Ausschusses muss zu ausgewogenen Ergebnissen für alle an der Koordinierung Beteiligten führen.” Hofmann weiter: “Scheitert die Basel-III-Revision, scheitert der Ausschuss, und die Zukunft der internationalen Koordinierung von Aufsichtsregeln wäre sehr ungewiss.” Da dies allen bekannt sei, sei der Einigungsdruck hoch. Hofmann aber warnt: “Europa sollte sich nicht verweigern, aber seine Interessen auch nicht um des lieben Friedens willen aufgeben.”