Madrid

Barcelona setzt auf die Messe, Madrid auf den Osterurlaub

Es war einer dieser frühen Warnschüsse vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa. Am 5. Februar letzten Jahres sagte der koreanische Elektronikkonzern LG seine Teilnahme am Mobile World Congress (MWC) in Barcelona, der größten Mobilfunkmesse...

Barcelona setzt auf die Messe, Madrid auf den Osterurlaub

Es war einer dieser frühen Warnschüsse vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa. Am 5. Februar letzten Jahres sagte der koreanische Elektronikkonzern LG seine Teilnahme am Mobile World Congress (MWC) in Barcelona, der größten Mobilfunkmesse der Welt, ab. Den Koreanern war es angesichts der raschen Ausbreitung eines Virus namens Sars-CoV-2 zu heikel, ihre Manager zu einer beliebten und auch sehr geselligen Großveranstaltung zu schicken, die 2019 mehr als 100000 Besucher angelockt hatte. Immerhin war der Ausbruch des Coronavirus bereits Tage zuvor zur Pandemie erklärt worden. Doch die Veranstalter des MWC reagierten mit leichtem Unverständnis und versicherten, dass die Auswirkungen des Virus auf die Messe „minimal“ sein würden und zudem für ausreichend Desinfektionsmittel gesorgt sei. Doch die Manager anderer Konzerne bekamen kalte Füße und es hagelte Absagen, bis eine Woche nach der Ankündigung von LG schließlich die ganze Veranstaltung gestrichen wurde. Das war ein herber Schlag für Barcelona, sowohl was die kurzfristigen Ausnahmeausfälle für das Gastgewerbe als auch das Image der Stadt anbelangte. Wie wir heute wissen, war das Ende des MWC 2020 nur ein kleiner Vorgeschmack auf das lange Leiden der Wirte und Hoteliers.

Nun fürchten die Veranstalter der Messe, dass sich die Geschichte wiederholen könnte. Nach reiflichem Überlegen beschloss der Branchenverband GSMA, die diesjährige Ausgabe vom 28. Juni bis 1. Juli in Barcelona auszutragen. Am Montag stellte man das Hygienekonzept für die Messe vor. Die Zahl der Teilnehmer soll um mehr als die Hälfte auf maximal 50000 gesenkt werden. Jeder muss alle 72 Stunden einen Test machen. Am Eingang wird die Temperatur gemessen und die Lüftungssysteme sollen auf einen höheren Standard gebracht werden. Doch schon einen Tag darauf folgte die kalte Dusche. Die schwedische Ericsson sagte am Dienstag ihre Teilnahme aus Sicherheitsgründen ab. Im Gegensatz zu 2020 bleibt den übrigen Unternehmen noch jede Menge Zeit, um die Pandemie-Entwicklung erst einmal abzuwarten, bevor man eine Entscheidung trifft. Seit Wochen sinken die Infektionszahlen in Spanien von einem sehr hohen Stand nach Weihnachten auf zuletzt 64 neue Fälle pro 100000 Einwohner in einer Woche. Doch der positive Trend verlangsamt sich und die Experten fürchten, dass es wie anderswo in Europa zu einer neuen Welle kommen könnte.

Daher messen die Entscheidungsträger in Spanien der Osterwoche große Bedeutung zu. Am Mittwoch wollen die Zentralregierung und die autonomen Regionen Inlandsreisen bis nach den Ferien weiter untersagen. Die 47 Millionen Einwohner dürften demnach ihre Region nicht ohne triftigen Grund verlassen. Darüber sind sich alle einig. Nun ja, fast alle. Denn die rechtsliberale Regionalregierung von Madrid stellt sich erneut quer und besteht darauf, dass ihre knapp sieben Millionen Einwohner über Ostern durchs Land reisen dürfen. Den übrigen Landesfürsten bangt es aber gerade vor den reiselustigen Hauptstädtern, von denen viele Ferienwohnungen am Meer oder auf dem Land besitzen. Madrid hat seit Monaten die lockerste Version aller Corona-Beschränkungen in Spanien. Bars und Restaurants dürfen, mit gewissen Einschränkungen und Auflagen, derzeit bis 23 Uhr öffnen. Auch ein Besuch in Theater, Kino, Museum oder Einzelhandel ist möglich. Nicht umsonst hat die Comunidad de Madrid mit 111 die höchste Infektionsrate im Lande. Der Trend sinkt jedoch und die Sterblichkeit ist geringer als andernorts.

Die Regionalregierung verteidigt ihren Standpunkt mit zwei Argumenten. Für die gebeutelte Tourismusbranche wäre es ein Segen, nicht ganz auf das Ostergeschäft verzichten zu müssen. Und für das Infektionsgeschehen sei es doch viel schlechter, wenn Millionen Madrilenen über Ostern in ihrer recht kleinen Region verharren müssten. Denn da können sie ja bis 23 Uhr auswärts essen und trinken gehen, während sie anderswo, etwa in Katalonien, nach derzeitigem Stand schon um 17 Uhr in Bars und Restaurants vor die Tür gesetzt werden. Doch letztlich ist die Gegenwehr der Hauptstädter nutzlos, denn wenn alle anderen dichtmachen, ist es ja egal, ob Madrid seine Grenzen für offen erklärt.

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