Konjunktur

Bauch­platscher für Chinas Wirtschaft

Pekings Nulltoleranzpolitik wird zur schmerzhaften Konjunkturerfahrung: Industrie und Konsum brechen ein. Der heftige Einbruch hat nur eine Ausnahme.

Bauch­platscher für Chinas Wirtschaft

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Chinas harte Linie bei der Bekämpfung des Coronavirus unter dem Banner der Nulltoleranzpolitik fordert der Wirtschaft einen immer höheren Preis ab. Am Montag ist das Pekinger Statistikbüro mit geradezu verheerenden Wirtschaftsdaten für den April an die Öffentlichkeit gegangen, mit denen auch noch die pessimistischsten Schätzwerte von China-Ökonomen übertroffen wurden. Dabei zeigt sich, dass die vom harten Lockdown in der Wirtschaftshochburg Schanghai ausgehenden Konjunkturverwerfungen längst überregionalen Charakter haben und mittlerweile nicht nur das Konsumvertrauen, sondern auch industrielle Fertigungsprozesse lahmlegen.

Besonders auffällig ist, dass Chinas Industrieproduktion, die sich über die Zeit der ersten Pandemiewelle hinweg als ein besonders robustes Bollwerk erweisen hatte, im April den Rückwärtsgang eingelegt hat. So fiel der Output im verarbeitenden Gewerbe um 2,9% gegenüber dem Vorjahreswert zurück. Im März hatten die Statistiker einen für chinesische Verhältnisse einigermaßen soliden Zuwachs von 5% verzeichnet.

Belastung auf breiter Front

Besonders hart getroffen zeigt sich die Automobilproduktion, für die Schanghai einer der zentralen Standorte ist. Aber auch bei Konsumelektronik, Chiptechnologie und in mit der Bauwirtschaft verwandten Schwerindustriebereichen hat sich die über den gesamten April hinweg fortwährende Lockdown-Situation in Schanghai in Verbindung mit Mobilitätsrestriktionen in anderen Industriezentren zu einer gewaltigen Konjunkturbelastung verdichtet. Dabei zeigt sich, dass die Versuche, Fertigungsprozesse in sogenannten Schlüsselindustrien über besondere Corona-Schutzprotokolle und eine Internierung von Industriearbeitern weitestmöglich aufrechtzuerhalten, einen relativ bescheidenen Erfolg hatten und von allgegenwärtigen Lieferkettenstörungen kompromittiert werden.

Analysten waren zwar davon ausgegangen, dass die chinesische Einzelhandelsaktivität durch den Lockdown in Schanghai und Restriktionen in zahlreichen anderen chinesischen Großstädten in heftige Mitleidenschaft gezogen wird. Allerdings stellt sich das Ausmaß der Konsumdelle noch wesentlicher heftiger als erwartet dar. Im April sind die Einzelhandelsumsätze um 11,1% ge­schrumpft, während die Konsensschätzung der Experten auf ein mittleres einstelliges Minus schließen ließ. Bereits im März hatte sich die Corona-Nulltoleranzpolitik der chinesischen Regierung im Zuge partieller Restriktionen auf das Verbrauchersentiment ausgewirkt und einen ersten Rückgang der Einzelhandelsumsätze gegenüber Vorjahr nach sich gezogen.

Ausnahme Infrastruktur

Lediglich auf Ebene der Anlage­investitionen, wo die Lokalregierungen alle Register ziehen sollen, um öffentliche Infrastrukturprojekte anzukurbeln, ist die gewohnte Schwungkraft erkennbar. Das jeweils für das aufgelaufene Jahr berechnete Fixed Asset Investment ist in den ersten vier Monaten um 6,8% gegenüber der Vorjahresperiode geklettert. Der Beitrag der Investitionen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte allerdings nicht ausreichen, um den Schwungverlust bei Produktion und Konsum auszugleichen, zumal auch Chinas Außenhandel, der sich seit Ausbruch der Pandemie als besonders wuchtiger Wachstumstreiber erwiesen hat, Ermüdungserscheinungen zeigt. Analysten bei Bloomberg errechnen, dass Chinas BIP im April um etwa 0,7% geschrumpft sein dürfte. Für das zweite Quartal erwarten die Experten bestenfalls 2% Wachstum.

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