DER BREXIT - UND NUN?

Bei Unternehmen ist Flexibilität Trumpf

Notfallpläne für harten Brexit sind in der Schublade

Bei Unternehmen ist Flexibilität Trumpf

Von Daniel Schauber, FrankfurtZum Brexit am 31. Januar um 23 Uhr Londoner Zeit muss Big Ben schweigen. Und die deutsche Industrie, deren Rückgrat der Mittelstand ist, hat zu dieser Stunde auch keinen Grund, Jubelklänge anzustimmen. Doch wenigstens hatten die Unternehmen durch das jahrelange Hin und Her Zeit, sich auf das, was jetzt kommen kann, mit verschiedenen Szenarien vorzubereiten oder zumindest ein Bewusstsein für potenzielle Fallstricke zu entwickeln. Einen Notfallplan für einen harten Brexit, der immer wieder drohte, hatte schon vor einem Jahr rund die Hälfte der deutschen Unternehmen in der Schublade liegen, wie eine Umfrage der Beratungsgesellschaft Deloitte und des Bundesverbands der Deutschen Industrie ergab.Nun sieht der zwischen EU und Großbritannien vereinbarte Austrittsvertrag eine Übergangszeit bis Ende 2020 vor. Bis dahin bleibt Großbritannien im EU-Binnenmarkt. Welche Überraschungen danach drohen, möglicherweise hohe Zölle auf Autos, Elektrotechnik oder Maschinen aus Deutschland, ist indes weiter offen. Insofern bleibt für Deutschlands Unternehmen Flexibilität Trumpf. Einer Studie der DZ Bank zufolge haben deutsche Unternehmen einen Teil der Brexit-Auswirkungen bereits vorweggenommen, indem sie seit 2016 weniger Produkte nach Großbritannien ausführen. Nebel hat sich gelichtetDie Maschinenbauer, für die Großbritannien nicht nur Absatzmarkt, sondern auch ein wichtiger Fertigungsstandort ist, haben das Thema stets eng verfolgt. Insofern dürften auch kleinere Mittelständler für potenzielle Folgen des Brexit gut vorbereitet sein. Als das Datum 31. Januar endlich feststand, kam der Maschinenbaulobby VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) jedenfalls ein tiefer Seufzer der Erleichterung über die Lippen: Dass sich “nach der jahrelangen Achterbahnfahrt” der Nebel über dem Brexit nun lichte, sei “eine gute Nachricht für die Unternehmen in Europa”, hatte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann erklärt.Nun setzen die Maschinenbauer darauf, dass die EU und Großbritannien mit Hochdruck an einem Freihandelsabkommen arbeiten und dieses bis zum Ende des Jahres zum Abschluss bringen. “Gelingt dies nicht, gehen die mit einem harten Brexit verbundenen Diskussionen und Unsicherheiten Ende 2020 wieder los. Das muss unbedingt vermieden werden”, hatte Brodtmann gesagt. Zusätzlich erhöht würde die Unsicherheit, wenn die Briten nicht der EU, sondern zuerst den USA, Japan, Australien und Neuseeland Top-Priorität bei den Handelsgesprächen einräumen würden, was laut “Times” droht. Zölle im BlickInsofern ist es für die deutsche Industrie unverändert schwer, konkrete Vorkehrungen für mögliche Brexit-Folgen zu treffen. Geplant wird in den Unternehmen unverändert mit verschiedenen Szenarien. Das Worst-Case-Szenario ist, dass Großbritannien auf den Status eines WTO-Drittlandes rutscht. Welchen Zoll die Briten dann auf Autos oder Maschinen erheben könnten, steht in den Sternen. Der britische Premierminister Boris Johnson soll bereits Zölle von bis zu 10 % auf deutsche Autos ins Spiel gebracht haben.Die Maschinenbauer fürchten unterdessen auch nichttarifäre Handelshemmnisse – also etwa den Zwang, ihre Anlagen speziell für den britischen Markt nach anderen Standards fertigen zu müssen. Andererseits besteht zwischen Großbritannien und dem deutschen Maschinen- und Anlagenbau eine enge wirtschaftliche Verflechtung, die in vielen Jahrzehnten gewachsen ist.Im Jahr 2017 (neuere Zahlen liegen nicht vor) war für die deutschen Maschinen- und Anlagenexporte Großbritannien mit einem Ausfuhrvolumen von 7,3 Mrd. Euro nach den USA, China, Frankreich und Italien der fünftwichtigste Exportmarkt. Für die Maschinenbauer dürfte es die Planung auch erleichtern, dass sich mit Zöllen auf deutsche Autos oder französischen Käse auf der Insel besser Politik machen lässt als mit Abgaben auf deutsches Fertigungsgerät, zu dem es oft keine gute Alternative auf dem Weltmarkt gibt.Für die Autohersteller sieht die Lage dramatischer aus. Im Jahr 2017 gingen rund 18 % der deutschen Pkw-Ausfuhren nach Großbritannien, womit das Vereinigte Königreich der größte Markt für Pkw-Exporte aus Germany war.