Deutsche Konjunktur

Belebung der Wirtschaft nicht mehr so stürmisch

Der deutsche Konjunkturmotor scheint etwas zu stottern. Hatten die Statistiker zunächst einen überraschenden Einbruch beim Auftragseingang gemeldet, trübt sich nun auch der Ausblick ein: die ZEW-Konjunkturerwartungen geben ebenfalls nach.

Belebung der Wirtschaft nicht mehr so stürmisch

Die Aufträge der deutschen Industrie sind im Mai so stark eingebrochen wie seit dem ersten Lockdown 2020 nicht mehr. Die Betriebe sammelten wegen schwacher Auslandsnachfrage 3,7% weniger Bestellungen ein als im Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte. Das Neugeschäft sank damit erstmals in diesem Jahr. Ökonomen hatten dagegen mit einem Anstieg von 1,0% gerechnet. Der April-Vergleichswert wurde allerdings kräftig nach oben revidiert – von minus 0,2% auf plus 1,2%. Grund für den Rückgang im Mai dürfte auch der Materialmangel sein, sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank: „Die Industrie hat weiterhin gute Quartale vor sich, aber vermutlich endet nun langsam die Sondernachfrage.“ Die Eindämmung der Pandemie führe auch zu einer Normalisierung.

Dass die Flaute länger anhalten könnte, signalisiert aber womöglich der überraschende Rückgang der Konjunkturerwartungen. Das Stimmungsbarometer des Forschungsinstituts ZEW fiel gegenüber dem Vormonat um 16,5 Punkte auf 63,3 Punkte, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim mitteilte. Analysten hatten einen Rückgang auf nur 75,2 Punkte erwartet. Im Mai hatte der Indikator mit 84,4 Punkten noch den höchsten Stand seit über 21 Jahren erreicht. Dafür hat sich allerdings die Bewertung der aktuellen Lage deutlich verbessert. Der entsprechende Indikator stieg um 31,0 Punkte auf 21,9 Punkte. Der Lagebeurteilung ist damit erstmals seit zwei Jahren positiv, was jedoch wenig über die Aussichten aussagt, die an der Börse gehandelt werden. Der Euro bröckelt nach der ZEW-Veröffentlichung weiter ab und fällt auf ein neues Tagestief von 1,1837 Dollar.

„Insgesamt bewegen sich die Auftragseingänge weiterhin oberhalb des Vorkrisenniveaus“, erklärte das Ministerium. Gemessen am Februar 2020, dem Monat vor Beginn der Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie, liegen die Aufträge nun um 6,2% höher. Verglichen mit dem Lockdown-Monat Mai 2020 zogen sie um 54,3% an. Die Aufträge aus dem Inland stiegen um 0,9% zum Vormonat. Das Auslandsgeschäft brach jedoch um 6,7% ein. Dabei sanken die Bestellungen aus Ländern außerhalb der Euro-Zone besonders kräftig um 9,3%, während es für Exportaufträge aus dem Währungsraum nur ein Minus von 2,3% gab.

Die Auftragsbücher seien dennoch gut gefüllt, relativiert Gitzel die Entwicklung. „Es muss einem nun nicht Angst und Bange werden.“ In den vergangenen zwölf Monaten habe es nur zwei Rückgänge gegeben. „Damit liegt der Auftragsbestand seit Auflegung der Zeitreihe im Jahr 2015 auf einem Allzeithoch.“ Die Reichweite des derzeitigen Auftragsbestandes liege bei sieben Monaten.

Was die Konjunkturaussichten angeht, so kommentierte ZEW-Präsident Achim Wambach, dass die Normalisierung der Wirtschaftsentwicklung weiter gehe. Die Erwartungen befänden sich trotz des Rückgangs auf einem hohen Niveau. „Die Finanzmarktexpertinnen und -experten rechnen daher in sechs Monaten mit einer überdurchschnittlich positiven gesamtwirtschaftlichen Lage“, sagte Wambach.

Die deutsche Wirtschaft war Anfang 2021 im Lockdown noch um 1,8% geschrumpft. Im zu Ende gegangenen Quartal dürfte sich die Konjunktur dank Öffnungen und Lockerung bereits merklich erholt haben. Für den laufenden Sommer rechnen Ökonomen ebenfalls mit spürbarem Wachstum, auch wenn Lieferengpässe etwa bei Vorprodukten viele Industrieunternehmen bremsen.

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