Berlin verspricht Firmen Schutz vor Spekulanten

Im Notfall stehen Milliarden für Verstaatlichung bereit - Bund refinanziert KfW

Berlin verspricht Firmen Schutz vor Spekulanten

wf/kjo/jsc Berlin/Frankfurt – Die Bundesregierung sieht sich gerüstet, einem billigen Ausverkauf deutscher Unternehmen an der Börse in der Coronakrise die Stirn zu bieten. “Wir sind entschlossen, unseren Unternehmen in dieser Zeit zur Seite zu stehen”, sagt Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vor der Presse in Berlin. Dazu gehöre auch die staatliche Übernahme von Unternehmen. “Wir legen es nicht darauf an, aber unser Land muss sich schützen können.” Es gehe um Firmen jeder Größe, die aufgrund ihrer Expertise eine große Bedeutung für Deutschland hätten. Mit den Worten “Make no mistake about it” wandte er sich direkt an die Adresse von Hedgefonds, die auf fallende Kurse wetten.Das Bundeskabinett hatte am Vormittag ein riesiges Hilfspaket mit einer Kreditermächtigung von mehr als 350 Mrd. Euro und weiteren Staatsgarantien beschlossen. Es umfasst den Nachtragshaushalt 2020 mit einer Nettokreditaufnahme von 156 Mrd. Euro und einen neuen Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit einer zusätzlichen Kreditermächtigung von 200 Mrd. Euro. Der Bundeshaushalt 2020 umfasste bislang Ausgaben von 362 Mrd. Euro.100 Mrd. Euro der Kreditermächtigung aus dem Stabilisierungsfonds entfallen auf Rekapitalisierungsmaßnahmen von Firmen gegen Insolvenz – einschließlich Eigenkapitalspritzen. Damit käme es zu staatlichen Beteiligungen. Die übrigen 100 Mrd. Euro refinanzieren KfW-Sonderprogramme – das ist ungewöhnlich, denn bisher refinanziert sich die Bank selbständig durch Anleiheemissionen am Kapitalmarkt und profitiert dabei von einer Garantie des Bundes. Über die Kreditermächtigung hinaus setzt der Bund mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds noch einen Garantierahmen von 400 Mrd. Euro. Dieser soll es Unternehmen erleichtern, sich am Kapitalmarkt zu refinanzieren.Altmaier ließ bewusst offen, wie der Staat im Notfall konkret mit einer Beteiligung einspringen würde. Die Bundesregierung beobachte die Märkte und stehe mit den Unternehmen in Kontakt, sagte der Minister. “Das gibt uns ein gutes Bild.” Ein Staatssekretärsausschuss der Regierung könne über notwendige Maßnahmen entscheiden. Bei allen Hilfsangeboten gab sich Altmaier auch besonnen: “Wir werden als überzeugte Vertreter der Sozialen Marktwirtschaft sehr sorgfältig mit diesen Instrumenten umgehen”, sagte er. KfW-Programm aufgestocktDas KfW-Sonderprogramm wird aufgestockt: Wenn kleine und mittlere Firmen KfW-Darlehen für Betriebsmittel aufnehmen, übernimmt der Bund 90 % der Risiken statt wie zuvor angekündigt 80 %. Damit kommt die Regierung auch dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) entgegen, der für eine vollständige Übernahme der Haftung plädiert. Die Deutsche Kreditwirtschaft warnte derweil vor einer “Flut von Kreditanträgen” und einer “immensen” operativen Last.Zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie setzt der Bund die Verschuldung über die Geld- und Kapitalmärkte auf Rekordniveau herauf. Im laufenden Jahr sind mehr als 335 Mrd. Euro an Schuldpapieren vorgesehen – rund 120 Mrd. Euro mehr, als bisher geplant waren. Damit übertrifft die Emissionstätigkeit an den Geld- und Kapitalmärkten noch das Krisenjahr 2009, als sich der Bund in der Folge der Banken- und Finanzkrise über die Märkte mit 334 Mrd. Euro verschuldete. Ein Großteil der Mittelbeschaffung erfolgt über kürzerlaufende Papiere. So erklärte die Finanzagentur, die das Bund-Schuldenmanagement verantwortet, dass die Geldmarktpapiere mit zwölfmonatiger Laufzeit wieder aktiviert werden.Die EU-Finanzminister haben sich derweil verständigt, die Ausnahmeklausel des Stabilitätspakts zu aktivieren. Die Defizit- und Schuldenregeln der EU werden somit ausgesetzt. – Nebenstehender Kommentar Berichte Seiten 4, 5, 6, 7 und 17