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Berliner Mogelpackung zu Sustainable Finance

Börsen-Zeitung, 2.3.2019 Auf bunte Verpackungen versteht sich die Bundesregierung. Mit das "Gute-KiTa-Gesetz" umschreibt sie die zusätzlichen 5,5 Mrd. Euro bis 2022 aus dem Bundeshaushalt für die Kinderbetreuung in Deutschland, und das...

Berliner Mogelpackung zu Sustainable Finance

Auf bunte Verpackungen versteht sich die Bundesregierung. Mit das “Gute-KiTa-Gesetz” umschreibt sie die zusätzlichen 5,5 Mrd. Euro bis 2022 aus dem Bundeshaushalt für die Kinderbetreuung in Deutschland, und das “Starke-Familien-Gesetz” steht für die Erhöhung der Kinderzuschläge und den Kampf gegen Kinderarmut aus der Staatskasse. Ein “Prima-Klima-Gesetz” gibt es zwar noch nicht, aber immerhin hat die Bundesregierung dieser Tage wissen lassen, dass sie Deutschland “zu einem führenden Sustainable-Finance-Standort” machen will. Endlich – mag sich mancher in der Finanzbranche gedacht haben, nachdem “Green Finance” in all ihren Spielarten am Kapitalmarkt ein Renner ist, auf der Angebotsseite wie auch auf der (institutionellen) Nachfrageseite. Luxemburg hatte es nötigDer Finanzplatz Luxemburg hat frühzeitig die darin liegende Profilierungschance erkannt, die nicht nur zusätzliches Geschäft verheißt, sondern auch das einstige Steuerhinterziehungschmuddelimage vergessen lässt. Und Polen hat erst jüngst mit grünen Anleihen die Taschen der Investoren geöffnet und in unterschiedlichen Laufzeiten einige Milliarden eingesammelt. Zwar muss man sich fragen, welche grünen Projekte dieses Land, das seine Kohlekraftwerke verteidigt wie kaum ein anderes, denn mit den grünen Bonds finanziert – doch diese Fragen stellt interessanterweise niemand, solange nur das Label grün leuchtet. Und über Absichtsbekundungen kommt das Green Bond Framework des polnischen Finanzministeriums nicht hinaus. Viel heiße LuftDie Bundesregierung tat sich bisher indes etwas schwer damit, der Kapitalmarktmode zu folgen und ihre solide Haushaltspolitik dem populistischen Zeitgeist zu opfern. Schon im Mai 2017 hatte sich die schwarz-rote Bundesregierung mit der Grünen-Forderung nach einem Finanzwendegesetz zu befassen. Der Vorwurf damals: Der Bund befeuere mit seinen öffentlichen Investitionen und Kapitalanlagen die globale Erwärmung. Da die Bundesregierung zudem den Aktionsplan der EU-Kommission für nachhaltige Investitionen nicht vorbehaltlos bejubelte, verstärkte sie den Eindruck, beim Thema Green Finance hinterherzuhinken. Und nun will sie sich an die Spitze der Bewegung setzen und Deutschland zum führenden Sustainable-Finance-Standort machen?Wenn man das Vorhaben der PR-Verpackung entledigt und man sich genauer anschaut, was der Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung da in der zurückliegenden Woche unter Leitung von Kanzleramtsminister Helge Braun beschlossen hat, dann bleibt wenig mehr als heiße Luft. Und das ist ausnahmsweise gut so. Denn es ist nicht Aufgabe der Politik, par ordre de mufti Anlegergelder in vermeintlich nachhaltige Investitionen zu lenken. In diese Richtung nämlich will die EU-Kommission, nach deren Aktionsplan Finanzprodukte anhand von Nachhaltigkeitskriterien klassifiziert (Stichwort Taxonomie) und im Vertrieb entsprechend präsentiert werden sollen. Diese staatlich verordnete Weltverbesserung würde schon daran scheitern, dass in jedem Land unter Nachhaltigkeit etwas anderes verstanden wird. Während in Frankreich Investitionen in Kernkraft zur Senkung des CO2-Ausstoßes als nachhaltig gelten, wird das in Deutschland bekanntlich ganz anders gesehen und würde als “Greenwashing” gebrandmarkt.Völlig in die verkehrte Richtung bewegt sich der Aktionsplan mit der Idee, für nachweislich nachhaltig investierende Institute einen “Green Supporting Factor” einzuführen, der die bank- oder versicherungsaufsichtsrechtlichen Kapitalanforderungen senkt. Denn Sustainable Finance bedeutet eben nicht nur nachhaltiges Investieren, sondern auch nachhaltiges Finanzieren und damit nachhaltige Fiskalpolitik. Insofern ist es zu begrüßen, dass die Bundesregierung das Thema gesamtheitlich angeht und nicht ESG-Ziele auf Kosten der Finanzmarktstabilität verfolgt. Aus der Finanzkrise vor gut zehn Jahren sollten wir gelernt haben, dass platzende Immobilienkreditblasen nicht deshalb weniger gefährlich sind, nur weil die Darlehen dem sozialpolitisch gewünschten Ziel der Hausfinanzierung des kleinen Mannes dienten. Wann sind Bonds grün?Erinnern wir uns: Damals klebten die Ratingagenturen auf Kreditportfolios ihre Triple-A-Siegel, obwohl bei Lichte betrachtet durch geschickte Strukturierung nur Schrott drinsteckte. Aber der Markt war ganz wild nach diesen Papieren. Heute werden Bonds mit grünen Labeln versehen, obwohl oft nicht klar ist, was daran nachhaltig oder umweltfreundlich sein soll. Aber der Markt ist ganz wild nach diesen Papieren. Deshalb will jetzt auch die Bundesregierung prüfen, ob die Emission von grünen oder nachhaltigen Bundesanleihen “wirtschaftlich ist”. Aber wann ist eine der Finanzierung des Haushalts dienende Bundesanleihe grün? Wenn der Finanzminister von den Grünen gestellt wird? Wenn der Fuhrpark der Bundesbehörden auf E-Autos umgestellt ist? Oder wenn es in den vom “Gute-KiTa-Gesetz” finanzierten Betreuungseinrichtungen veganes Essen gibt? Der Markt kann’s besserDer Bundesregierung wird zweifelsohne eine gute Verpackung einfallen, sollte sie eines Tages Green Bonds oder Social Bonds begeben wollen. Im besten Sinne nachhaltig würde sie allerdings handeln, wenn sie – wie bisher – die Finger von solchen Mogelpackungen ließe und sich darauf konzentrierte, den Markt über geeignete Emittenten wie zum Beispiel die staatlichen Förderbanken zu entwickeln und dabei die Risikoaspekte von ESG-Investments nicht aus dem Auge zu verlieren. Anstatt sich den Kopf über die richtige Taxonomie zu zerbrechen und in die Allokationsfunktion des Marktes einzugreifen, sollte die Politik in Berlin und Brüssel besser auf bewährte marktkonforme und ideologiefreie Produkte setzen wie zum Beispiel den Emissionshandel.—– c.doering@boersen-zeitung.de—–Von Claus DöringFinanzmarktstabilität und Allokationsfunktion des Marktes dürfen nicht auf dem Altar der Green-Finance-Propheten geopfert werden. —–