AMERIKA HAT GEWÄHLT

Bestürzung und Sorge prägen die ersten Reaktionen

EU regt rasches Gipfeltreffen mit Trump an - Euphorie in Russland - Japan fürchtet Machtgewinn Chinas bei Rückzug der USA

Bestürzung und Sorge prägen die ersten Reaktionen

BZ Frankfurt – Nach dem Überraschungssieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl waren die ersten politischen Reaktionen recht verhalten – es wurde betont, das gute Verhältnis mit den USA fortsetzen zu wollen, Bestürzung und Sorge schwangen aber in den Äußerungen mit. *Berlin:In Berlin hat die Bundesregierung sichtlich bestürzt auf das Ergebnis der US-Wahl reagiert und versuchte es mit Haltung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bot Trump eine enge Zusammenarbeit an – allerdings auf Basis der gemeinsamen Werte. Zugleich erinnerte sie Trump an die Verantwortung, die er an der Spitze des großen Landes mit seiner wirtschaftlichen Stärke und seinem militärischem Potenzial habe. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), der Trump in einer ersten Reaktion als “Vorreiter einer neuen autoritären und chauvinistischen Internationalen” klassifiziert hatte, zeigte sich später am Tag milder. “Wünschen wir uns, dass sich die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft, die er im Wahlkampf forciert hat, nicht weiter vertieft”, sagte Gabriel. “Wir Europäer müssen nach vorn schauen und uns selbstbewusst auf die neue Lage einstellen.”Tatsächlich schaut Berlin aber in eine Blackbox. Kontakte zum Wahlkampfteam von Trump oder seinem Umfeld hat es praktisch nicht gegeben. Die Aussagen Trumps zur Außenpolitik sind nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes “spärlich und nur schwer interpretierbar”. Offen blieb, ob es vor internationalen Treffen der Staats- und Regierungschefs der Industrieländer (G 7) in Italien oder der Industrie- und Schwellenländer (G 20) in Hamburg 2017 zu einer bilateralen Begegnung kommen wird. Anders als seine demokratische Konkurrentin Hillary Clinton gilt Trump nicht als guter Kenner Europas. Deutschland war bislang nur negativ auf seinem Radar, etwa mit dem Wahlspot “Islamic State of Germany”, der die Unterwanderung Deutschlands mit islamischen Kriegern anprangert. Zudem hatte Trump Deutschland als eines der Länder genannt, welches auf Kosten der USA nuklearen Schutz genieße. In der Bundesregierung wird deshalb mit Forderungen nach höheren Militärausgaben und einer stärkeren Beteiligung an internationalen Sicherheitseinsätzen gerechnet. Bundespräsident Joachim Gauck mahnte: “Das transatlantische Verhältnis bleibt für Deutschland ein entscheidender Pfeiler unserer Politik.” Deutschland werde weiter ein verlässlicher Freund und Allianzpartner beim Einsatz für Freiheit, Frieden, Wohlstand und die Umwelt sein.EU: In Brüssel stand in ersten Reaktionen die Sorge vor einer Verschlechterung der transatlantischen Beziehungen im Fokus. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bezeichnete Trump als “Bannerträger der Furcht und der Ängste von Millionen Amerikanern”. Das politische System der USA habe allerdings immer wieder Ausschläge erlebt und sei auch stark genug für eine Präsidentschaft von Trump.”Wir sollten keine Anstrengung scheuen, um sicherzustellen, dass die uns vereinenden Beziehungen stark und dauerhaft bleiben”, betonten EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in einem gemeinsamen Glückwunschschreiben. Sie regten an, möglichst bald ein Gipfeltreffen mit Trump zu organisieren. Es sei in diesen Tagen angesichts des Klimawandels, des Kampfes gegen den Terror, der Flüchtlings- oder auch der Ukraine-Krise wichtiger denn je, die Beziehungen zu stärken. Ein EU-USA-Gipfel könne hierfür die Weichen stellen.Die EU-Außenminister wollen nun zunächst am Sonntag bei einem gemeinsamen Abendessen die Lage nach dem Wahlsieg von Trump diskutieren. Nach Einschätzung von Österreichs Außenminister Sebastian Kurz sollte die EU auf den Ausgang der US-Wahl mit einer Profilierung ihrer Außenpolitik reagieren. So müsse weiter an einer gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik gefeilt werden. Frankreichs Präsident François Hollande warnte unterdessen vor einer Phase der Unsicherheit. Der Sieg Trumps zeige, dass Europa zusammenstehen müsse, unterstrich er.Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders sieht bereits Anzeichen für einen “patriotischen Frühling” im Westen. Die Menschen hätten politisch korrekte Politiker satt, die sich nur um sich selbst kümmerten und nicht um die Themen, die für die Bevölkerung wichtig seien.Russland: In der Wahlnacht hatte Russland nochmals seine Psyche offengelegt: Weil man wie der Rest der Welt davon ausgegangen war, dass Clinton das Rennen mache, wurden die Wahlen im Staats-TV mit voller Härte als unfaire Prozedur diskreditiert. Wenige Stunden später drehte die Tonart in Euphorie: Das Parlament applaudierte zum Sieg, und Kremlchef Wladimir Putin war einer der Ersten, der Trump gratulierte. Er hoffe auf einen gemeinsamen Ausweg aus dem kritischen Zustand der bilateralen Beziehungen und auf eine Lösung der anstehenden internationalen Probleme, schrieb er.Schon im Vorfeld hatte Moskau zu verstehen gegeben, dass es Trump bevorzuge. Dahinter steckte laut vielen Kommentatoren wohl auch das Kalkül, dass Trump pragmatischer als Clinton sei und unter Umständen ein Deal bei der Aufhebung der Sanktionen gelingen könnte. Einer von Putins Beratern, Sergej Glasew, formulierte diese Erwartung gestern denn auch ausdrücklich. Glasew ist freilich nicht der repräsentativste im Establishment. Nüchternere Gemüter wissen um die Funktion der Rhetorik vor den Wahlen und raten daher nun zum Abwarten, wie Trump sich verhalten werde. Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew etwa erinnerte im Gespräch mit der “Börsen-Zeitung” daran, dass es auch vor acht Jahren bei der Wahl Barack Obamas eine Aufbruchstimmung gegeben habe, die sich dann als ungerechtfertigt herausgestellt habe.Japan: Die Regierung in Tokio machte gute Miene zum bösen Spiel. Premierminister Shinzo Abe gratulierte Trump zum Wahlsieg und beschwor die “unerschütterliche Allianz” von Japan und USA. Diese Verbindung wolle er noch stärken, sagte Abe. Doch die Ängste in Japan sind groß, weil Trump im Wahlkampf die langjährige Partnerschaft grundlegend in Frage gestellt hatte. Japan müsse mehr für Verteidigung ausgeben, die US-Truppen in Japan könnten zurückgezogen werden. Trump hatte sogar eine atomare Bewaffnung Japans ins Spiel gebracht. Auch wirtschaftlich dürften die Beziehungen schwieriger werden. Der neue Präsident will den ausgehandelten Freihandelsvertrag der Pazifikanrainer nicht unterschreiben und kritisierte Japan für die Schwächung seiner Währung über die extrem lockere Geldpolitik. Vor diesem Hintergrund befürchtet das Establishment in Tokio einen Machtgewinn von China in Ostasien als Folge eines Rückzugs der USA aus dem Pazifik.China: In China betonte man zunächst die Kontinuität in den amerikanisch-chinesischen Beziehungen und eine friedliche Kooperation. Staatspräsident Xi Jinping hob die große Bedeutung der beiderseitigen Beziehungen für die globale außen- und wirtschaftspolitische Entwicklung hervor. Man wolle im Dialog mit Trump die Prinzipien “keine Konfrontation, keinen Konflikt und gegenseitigen Respekt” hochhalten, erklärte Xi. Dies werde eine Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil ermöglichen.