Bildungspolitik als Hebel im Kampf gegen Ungleichheit
lz Frankfurt – Die Einkommensungleichheit in Deutschland ist nicht so groß, wie in der Öffentlichkeit suggeriert wird, und hat in den vergangenen Jahren auch nicht so stark zugenommen wie in der aktuellen Debatte oft unterstellt. Das ist das Ergebnis einer Studie des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Autoren stellen in ihren Aussagen allerdings auf die Nettoposition ab, also nach Umverteilung über Steuern und Sozialbeiträge. In dieser Betrachtung nehme Deutschland unter den 20 OECD-Ländern Platz 7 ein und gehöre damit zu jenen Staaten, die ein besonders geringes Maß an Ungleichheit aufweisen würden.Die Ifo-Ökonomen haben in ihren Berechnungen auch die Bereitstellung öffentlicher Güter einbezogen, wodurch die Ungleichheit in Deutschland noch weiter schrumpft. Schließlich würden am Ende nicht die individuellen Einkommen, sondern die Konsummöglichkeiten über das Wohlbefinden von Personen entscheiden, argumentieren sie.Allein durch die Berücksichtigung der Bildungs- und Gesundheitsausgaben sinke die reale Nettoungleichheit nochmals um rund 11 %. Um die Ungleichheit abzumildern, kommt es nach Meinung des Ifo-Instituts deshalb nicht nur auf ein effizientes Transfersystem an: Die Politik darf auch die öffentlichen Güter nicht vernachlässigen, betonen die Forscher.Andere Ökonomen weisen allerdings darauf hin, dass Transfers zwar die rechnerische Ungleichheit verringern, die gefühlte gesellschaftliche Benachteiligung aber nicht mindern könnten. Die betroffenen Bevölkerungsgruppen müssten nämlich stets als Bittsteller auftreten, Leistungen einfordern und um den Finanzausgleich bangen.Auch die Ifo-Ökonomen räumen ein, dass Deutschland gemessen am Markteinkommen tatsächlich höhere Ungleichheitsniveaus aufweist als vergleichbare Staaten – höhere Niveaus etwa als in Österreich, Frankreich, Italien, Großbritannien und selbst den USA. Die Abgabenbelastung der Löhne durch die Umverteilung sorge mittelbar sogar dafür, dass die Ungleichheit zunehme. Schließlich müssten die Unternehmen hoch qualifizierten Mitarbeitern wettbewerbsfähige Nettoeinkommen zahlen, was besonders hohe Bruttolöhne erfordere. Transfers drücken WachstumDas Ausmaß, mit dem Einkommen umverteilt werde, könne zudem das Wachstum drücken, warnt das Ifo-Institut. Schließlich sei die Gefahr von Steuererhöhungen in einem Transferstaat besonders hoch. Daher müsse die Politik ein größeres Augenmerk als bisher darauf legen, wie die Ungleichheit vor Steuern reduziert werden könne. Konkret schlagen die Forscher “eine Verbesserung der Bildungspolitik im Sinne einer stärkeren Förderung benachteiligter Schichten” vor. Das verringere die Ungleichheit und fördere gleichzeitig das Wirtschaftswachstum. Zugleich würde damit der Konflikt zwischen Effizienz- und Verteilungsfragen in Deutschland entschärft.