Grüne Bundesanleihen

Blick zurück und nicht nach vorn

Der Staat könnte mehr Anleihen begeben, um Klimaschutzprojekte zu bezahlen. Die Kapitalmarktregeln erlauben das aber gar nicht.

Blick zurück und nicht nach vorn

Von Angela Wefers, Berlin

Mehr grüne Bundesanleihen wollen SPD und Grüne emittieren, wenn sie nach der Wahl am 26. September an die Regierung kommen. Der Schluss liegt nahe: mehr grüne Anleihen – mehr Klimaschutzausgaben. Das klingt gut, hat aber wenig mit der Realität zu tun. Bei privatwirtschaftlicher grüner Projektfinanzierung werden Mittel am Kapitalmarkt eingesammelt, um später etwa einen Windpark zu finanzieren. Anders agiert der Bund als Emittent, nämlich rückwirkend. Bestimmend für das Ausmaß grüner Emissionen sind nicht die Klimaschutzausgaben der Zukunft, sondern die der Vergangenheit. Der Bund folgt damit internationalen Kapitalmarktusancen – niedergelegt in den Green Bond Principles der Kapitalmarktvereinigung ICMA. Diese freiwilligen Leitlinien erlauben Erlöse aus grünen Anleihen auf Basis der Ausgaben der drei Vorjahre. Es reicht dabei zudem nicht aus, die Mittel im Bundeshaushalt parlamentarisch zu billigen. Sie müssen auch abfließen. Dies ist mangels Kapazität und langer Verfahren in der öffentlichen Verwaltung immer wieder ein Problem. Die ICMA-Vorgaben verlangen auch detaillierte Berichterstattung für die Anleger – nicht nur über die Art der Ausgaben, auch über deren Wirkung in den Folgejahren. Dafür müssen die umweltpolitischen Ziele klar benannt sein. Ein Wirtschaftsprüfer muss die Ausgabenzuordnung bestätigen.

In April dieses Jahres hatte das Bundesfinanzministerium den ersten „Green Bond Allocation Report 2020“ zu den 2019er Emissionen veröffentlicht. Anerkannt wurden Klimaschutzausgaben von 12,3 Mrd. Euro. Mit der Emission von 11,5 Mrd. Euro wurde das mögliche Volumen zu gut 93% weitgehend ausgeschöpft – 6,5 Mrd. Euro für den „Green Bund“ und 5 Mrd. Euro für den „Green Bobl“. Von den maßgeblichen Umweltausgaben 2019 entfielen 7,1 Mrd. Euro auf den Verkehrssektor, 3,0 Mrd. Euro auf internationale Kooperationen, 1,2 Mrd. Euro auf Energie und Industrie, 625 Mill. Euro auf Forschung und Innovation sowie 382 Mill. Euro auf Land- und Forstwirtschaft samt Biodiversität. Mit Blick auf den Gesamtetat 2019 von 344 Mrd. Euro scheint das klimapolitische Engagement des Bundes gering. Dies liegt an der Förderstruktur in Deutschland. Der wesentliche Teil läuft nicht über den Bund, sondern über Institute wie die KfW, die selbst ein großer Emittent grüner Anleihen ist. Anders wäre es, wenn das Kriterium „grün“ auf ESG (Environment, Social, Governance) ausgedehnt würde: Die Sozialausgabenquote des Bundes liegt bei 51%.

Engpass Schuldenbremse

Engpassfaktor für staatliche Klimaausgaben, die über Kredit finanziert werden müssten, ist also nicht der Kapitalmarkt – es sind die nationale und die europäische Schuldenregel. Nicht von ungefähr schreiben die Grünen Robert Habeck und Sven Giegold in einem Positionspapier aus diesem Mai: „Über eine Reform der Schuldenbremse und eine Investitionsregel wird die Möglichkeit erweitert, grüne Anleihen auszugeben.“ Es spiegelt die Forderung der Grünen, die Schuldenbremse für mehr Investitionen auszuhebeln.

Einen heilsamen Einfluss auf den Bundesetat haben die Green Bond Principles aus einem ganz anderen Grund: Ob Ausgaben auch tatsächlich die politischen Ziele erfüllen, wird bislang nur in sogenannten Spending Reviews zaghaft, punktuell und von der Bundesregierung selbst überprüft. Wenn externe Ex­perten – wie im Bericht 2020 Deloitte – die Zuordnung der Ausgaben verifizieren und der Bund eine regelmäßige Wirkungsanalyse liefern muss, wird der „Green Bond Allocation Report“ zu einer brisanten Lektüre.