REFORM DER WELTHANDELSORGANISATION - ZUSTÄNDIGKEITEN ERWEITERN

Blockierte Agenda

Börsen-Zeitung, 31.8.2018 jw Frankfurt - Seit der gescheiterten Doha-Runde, die 2001 als "Entwicklungsrunde" startete, ist auch die Themen-Setzung der WTO ins Stocken geraten. Damals standen die Bereiche Landwirtschaft, Industriegüter und...

Blockierte Agenda

jw Frankfurt – Seit der gescheiterten Doha-Runde, die 2001 als “Entwicklungsrunde” startete, ist auch die Themen-Setzung der WTO ins Stocken geraten. Damals standen die Bereiche Landwirtschaft, Industriegüter und Dienstleistungen im Fokus. Zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern konnte jedoch kein Kompromiss gefunden werden. Die Welt und der Welthandel haben sich seitdem weiterentwickelt, doch die Uneinigkeit bei der WTO-Themensetzung ist geblieben. Die existierenden Abkommen zum geistigem Eigentum und Dienstleistungshandel sind veraltet, für Themen wie E-Commerce gibt es keine multilateralen Regeln. Momentan arbeiten 70 Mitgliedsländer daher daran, ein Abkommen im Bereich digitaler Handel voranzubringen. Mehrere Entwicklungsländer, geführt von Indien, argumentieren jedoch, dass erst bei den Entwicklungsthemen Fortschritte gemacht werden müssten, bevor man sich den Digitalthemen widmen könne, in denen die westlichen Länder einen Wettbewerbsvorteil hätten. Regulatorische FragenAuch regulatorische Fragen wie etwa Regeln für international tätige Staatsunternehmen, Maßnahmen gegen staatliche Subventionen und Überkapazitäten sowie der Schutz geistigen Eigentums können bilateral kaum vorangetrieben werden – dafür braucht es die WTO. Die Industriestaaten treiben diese Themen voran. Dass sie dies erst jetzt tun, hat aber auch damit zu tun, dass die EU und die USA jahrelang selbst solche Hilfen vergeben haben, zum Beispiel an ihre Flugzeugbauer Boing und Airbus. Das WTO-Verfahren zum Airbus-Subventionsstreit zieht sich bereits seit 14 Jahren in die Länge. Im Agrarbereich sündigt die EU immer noch – 58 Mrd. Euro Agrarsubventionen werden jährlich in den Mitgliedstaaten verteilt. Bei Rindfleisch erhebt die EU Importzölle von fast 70 %, bei Schweinefleisch 26 % und bei Äpfeln und Weintrauben 17 % und 20 %. Beim Abbau von Handelshemmnissen im Agrarbereich können die WTO-Mitgliedsländer daher noch große Fortschritte machen. Wenn die EU bei Agrarthemen auf die Entwicklungsländer zugeht, stehen die Chancen gut, dass sich diese bei Digitalthemen auf die Industriestaaten zubewegen werden. Mangelhafte AusstattungEine bessere Überwachung und stärkere Transparenz von Handelsregeln ist ebenso notwendig. Dazu müssen auch die globalen Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite stärker kontrolliert und gegebenenfalls sanktioniert werden. Die WTO ist dafür besser geeignet als der Internationale Währungsfonds IWF. Dafür müssten allerdings auch die finanziellen Kapazitäten und Befugnisse des WTO-Sekretariats erweitert werden. Das ist sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht im Vergleich zu anderen internationalen Organisationen schlecht ausgestattet. An dem Sitz in Genf arbeiten rund 600 Angestellte. Beim IWF sind es 2 400. Das Budget der WTO beträgt 200 Mill. Dollar, das des IWF 1 Mrd. Dollar. Hinzu kommen IWF-Kreditvergabemittel von 692 Mrd. Dollar. Zu einer Reform der WTO gehört daher, die Organisation personell und finanziell zu stärken. Ob die WTO-Mitglieder dazu gewillt sind oder sie ihre handelspolitische Souveränität bedroht sehen, wird man bei den WTO-Reformgipfeln sehen.