REFORM DER WELTHANDELSORGANISATION - STREITSCHLICHTUNG VERKÜRZEN

Blockierte Richter

Börsen-Zeitung, 31.8.2018 jw Frankfurt - Eigentlich gilt der Streitbeilegungsmechanismus als das "Kronjuwel" der WTO: Er sorgt für die Beachtung der Regeln und dafür, dass Handelskonflikte nicht offen eskalierten. Fühlt sich ein Land in seinen...

Blockierte Richter

jw Frankfurt – Eigentlich gilt der Streitbeilegungsmechanismus als das “Kronjuwel” der WTO: Er sorgt für die Beachtung der Regeln und dafür, dass Handelskonflikte nicht offen eskalierten. Fühlt sich ein Land in seinen Rechten verletzt, kann es bei der Organisation offiziell Beschwerde einreichen. Seit Gründung der WTO 1995 landeten bereits 540 Beschwerden vor dem Gericht. Die USA nutzen das Schiedsgericht am häufigsten, gefolgt von der EU, China und Indien.Zunächst versucht die WTO in einem zweistufigen Verfahren zwischen den Parteien zu schlichten. Der erste Schritt besteht aus der Konsultation eines unabhängigen Panels, das seine Meinung zu dem Fall äußert. Kommt es zu keiner Einigung, gelangt der Fall an die Berufungsinstanz (Appellate Body). Dieses Gremium besteht aus sieben Richtern, die auf vier Jahre gewählt werden. Das Gremium prüft, ob die angeprangerten Handelseinschränkungen gegen die WTO-Prinzipien des freien Welthandels (Meistbegünstigung, Inländergleichbehandlung, Reziprozität) verstoßen. Falls die unterlegene Partei den Empfehlungen des Gerichts nicht nachkommt, darf die überlegene Partei nun eigens Sanktionen gegen das Land verhängen. In der Regel enden solche Verfahren aber mit einer gütlichen Einigung. Drei Stellen unbesetztGenau dieser Mechanismus droht jedoch schon bald nicht mehr zu funktionieren. Grund ist, dass derzeit drei von sieben Richterstellen des Appellate Body unbesetzt sind, weil die USA deren Nachbesetzung verhindern. Im September steht die Amtsverlängerung eines Richters aus Mauritius an, auch hier wollen die USA ein Veto einlegen. Machen sie ihre Drohung wahr, gibt es nur noch die vorgeschriebene Mindestzahl von drei Richtern für WTO-Berufungsverfahren. Bei weiteren Blockaden bliebe Ende 2019 nur noch ein Richter übrig – das Schiedsgericht wäre handlungsunfähig. USA wollen zum GATT zurückHinter der Strategie der USA dürfte die Absicht stehen, missliebige Urteile, etwa im Zollstreit mit China, hinauszuzögern oder sie ganz zu verhindern. Beobachter vermuten gar, dass die US-Regierung mit der Blockade des WTO-Schiedsgerichts eine Rückkehr zum GATT-Schiedsmechanismus anstrebt. Damals waren Schiedsgerichtsurteile nur dann wirksam, wenn sie von allen beteiligten Konfliktparteien akzeptiert wurden. Das würde die Souveränität der WTO-Richter jedoch stark einschränken. Auch eine andere Regel im WTO-Statut missfällt den Amerikanern. Nach der Regel 15 können bereits ausgeschiedene Richter ihre vor Amtsende angenommenen Fälle noch zu Ende bearbeiten.Das WTO-Schiedsgericht versucht zwar Fälle binnen 15 Monaten abzuschließen und Urteile binnen 60 bis 90 Tagen zu fällen, doch aufgrund der unbesetzten Richterstellen vergehen oft bis zu zwei Jahre bis zu einem Urteil. Die Reformvorschläge der EU zielen daher darauf ab, die Zahl der Richter von derzeit sieben auf neun zu erhöhen und diese als Vollzeitkräfte zu engagieren. Außerdem soll darauf geachtet werden, dass Fälle binnen 90 Tagen entschieden werden, es sei denn, beide Parteien erklären sich mit einer Verlängerung einverstanden.