Börsenchaos als Schützenhilfe
Das Reich der Mitte ist immer für eine Überraschung gut. Eigentlich gehört es zu den gesicherten ökonomischen Erkenntnissen, dass wilde Ausschläge an den Finanzmärkten eine Wirtschaft zu destabilisieren drohen. Ganz China wird seit Monaten von dramatischen Ausschlägen des Aktienmarktes mit monumentalen Hausse- und Baissebewegungen in Atem gehalten.In den vergangenen Wochen hat eine weltrekordverdächtige Aktienmarktkorrektur Befürchtungen geweckt, dass die sowieso schon schwächelnde Konjunktur in eine Krise zu geraten droht, deren weltwirtschaftliche Ausläufer das Griechenland-Drama zu einer Nebenveranstaltung machen würden. Mit dem Eintrudeln der chinesischen Wachstumsdaten für das zweite Quartal zeigt sich aber ein ganz anderes Bild.Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist entgegen allen Erwartungen auf Kurs geblieben. Die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft kühlt vorerst nicht weiter ab und liegt mit 7 % BIP-Wachstum auf einer zwar niedrigen, aber von der Regierung veranschlagten Marke. Die Analysten hatten zuletzt auf nur 6,8 % Wachstum im zweiten Quartal getippt. Was sie nicht auf der Rechnung hatten, ist ein kräftiger Impuls im Dienstleistungssektor, und den wiederum haben in erster Linie kräftigere Konsumausgaben für Dienstleistungen des Brokergewerbes eingebracht. Ausgerechnet die extreme Volatilität der Aktienbörsen, die Peking zuletzt zu drastischen Stützungsmaßnahmen und Eingriffen in das Marktgeschehen veranlasste, leistet der Regierung nun Schützenhilfe beim Erreichen des Wachstumsziels und dürfte damit auch zur Stabilisierung des Konjunkturvertrauens beitragen.Bezeichnenderweise tragen die plötzlich wieder rosigen Konjunkturaussichten ganz und gar nicht zu einer Erholung des Aktienmarktes dar. Im Gegenteil schwindet erneut das Vertrauen der Kleinanleger in die Fähigkeit oder Bereitschaft der Regierung, mit Gewalt eine neue Hausse herbeizuzaubern. Der Leitindex in Schanghai knickte am Mittwoch bedrohlich ein.Vielleicht will Peking die Anleger auch nur ein Weilchen zappeln lassen, um dann gleich wieder eine neue Stützungsrunde mit rauschhaften Kursausschlägen nach oben zu generieren. Schließlich zeigt sich, dass der Verbrauchsgüterkonsum im Reich der Mitte auf die Höhen und Tiefen des Aktienmarktes kaum reagiert, während euphorische Börsenengagements und panische Abverkäufe im raschen Wechsel der Wirtschaft dringend benötigte Wachstumspunkte bringen.