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Brasiliens Superminister muss kämpfen

Von Andreas Fink, Buenos Aires Börsen-Zeitung, 15.8.2020 Als Paulo Guedes Ende 2018 sein Mega-Ministerium in Richtung moderner Zeiten umbaute, vergab Brasiliens Superminister für Wirtschaft und Finanzen die 20 Spitzenjobs nach einem klaren Schema:...

Brasiliens Superminister muss kämpfen

Von Andreas Fink, Buenos AiresAls Paulo Guedes Ende 2018 sein Mega-Ministerium in Richtung moderner Zeiten umbaute, vergab Brasiliens Superminister für Wirtschaft und Finanzen die 20 Spitzenjobs nach einem klaren Schema: Die eine Hälfte besetzte er mit bisherigen Top-Managern aus der freien Wirtschaft, die viel von Effizienz verstanden, – aber wenig von den bürokratischen Wegen, Reformen in einem schwer übergewichtigen Staat auch in die Wege zu leiten. Diese Aufgabe übertrug Guedes erfahrenen Bürokraten. Modernisierer geben aufNun, 20 Monate später, hat der Apparat den Furor ausgesessen. Während ein prominenter Modernisierer nach dem anderen der eleganten Esplanada dos Ministeriós von Brasilia “adeus” sagte, blieben die Apparatschiks. In der zurückliegenden Woche traten zwei Spitzenbeamte – zuständig für Privatisierung sowie Entbürokratisierung und Management – zurück. Sie waren frustriert über den Verlust des Schwungs im Bestreben, die immensen Kosten des Staates zu senken – allein die Gehälter öffentlich Bediensteter verschlingen etwa 13,5 % des Bruttoinlandsprodukts – und hunderte Staatsunternehmen auf den freien Markt zu bringen.Tatsächlich hat die Coronakrise die Modernisierungsbemühungen gelähmt. Aber Sars-CoV-2 ist nicht das einzige bedrohliche Virus. Das andere heißt, einmal mehr, Populismus. Im November wählen sämtliche 5 568 Gemeinden des Landes neue Bürgermeister. Hier geht es in dem 210-Millionen-Staat um viel konkrete Macht, und das in einem Jahr, das durch deutlich mehr als 100 000 Covid-Tote und einen Absturz der Wirtschaft von mindestens 5 % gezeichnet sein wird.Nun fragen die Leitartikler nach der Zukunft des Superministers. Diese dürfte vor allem daran hängen, wie beherzt Präsident Bolsonaro den seit 2016 in der Verfassung festgeschriebenen Ausgabendeckel beschützt. Nach der Absetzung der linken Präsidentin Dilma Rousseff hatte der Kongress beschlossen, 20 Jahre lang die Staatsausgaben nur noch im Rahmen der Inflation anzuheben. Doch nun, angesichts der Coronakosten, kratzen viele an ebendiesem Deckel. Kostendeckel in GefahrUnd einige sind sehr mächtig: Erstens jene Parlamentarier aus mehr als zehn Kleinparteien, die mit Bolsonaro in den letzten Monaten eine lose Kooperationsbasis im Kongress vereinbarten. Zweitens die mächtigen Ex-Militärs in der Regierung, die staatliche Investments fordern. Und dann ist da der Präsident selbst, der just erst miterlebt hat, wie monatliche Hilfszahlungen an Informelle und Kleinstunternehmer seine Popularität in den Favelas haben rasant steigen lassen. Er will nun die Sozialhilfen aus der Lula-Epoche zu einem neuen Grundeinkommen um- und damit seine Wählerbasis ausbauen.Zuletzt haben sowohl Bolsonaro als auch die Chefs von Kongress und Senat öffentlich gelobt, zumindest den Kostendeckel nicht anzutasten. Aber das allein wird die Reformagenda nicht in Schwung bringen.