Brexit-Rechnung erhitzt die Gemüter

Die EU hält sich zur Höhe ihrer Schlussforderungen noch bedeckt - Verhandlungsrichtlinien verabschiedet

Brexit-Rechnung erhitzt die Gemüter

Nach der politischen Vorlage durch die Staats- und Regierungschefs hat die EU-Kommission nun die Richtlinien für die Brexit-Verhandlungen verabschiedet. Chefunterhändler Michel Barnier will noch in diesem Jahr eine Einigung unter anderem zu den Bürgerrechten und zur finanziellen Schlussrechnung erreichen. Hier wird mittlerweile über ein Bruttovolumen von 100 Mrd. Euro diskutiert.ahe Brüssel – Die EU besteht darauf, dass vor Verhandlungen mit Großbritannien über die zukünftigen Beziehungen zunächst eine Einigung über eine finanzielle Schlussrechnung erreicht wird. Dies bekräftigte der Brüsseler Chefunterhändler Michel Barnier bei der Vorstellung der Verhandlungsrichtlinien für sein Mandat. Es gehe nicht um eine Bestrafung Großbritanniens oder um eine Austrittssteuer, betonte er. “Die Konten müssen beglichen werden – nicht mehr und nicht weniger.”Nach Einschätzung des Franzosen ist ein solches Vorgehen unabdingbar, da es um gemeinsam beschlossene Projekte geht, in denen Geld gebunden und bereits verplant wurde und die nicht ohne Weiteres beendet werden können. Den Richtlinien zufolge, die den auf dem Sondergipfel der EU 27-Regierungschefs am vergangenen Wochenende vereinbarten politischen Leitlinien folgen, ist eine einzige finanzielle Abrechnung geplant. In dieser soll es neben Pensionsverpflichtungen und den Beiträgen zum EU-Haushalt auch um ein Ende der britischen Mitgliedschaft in Organisationen wie der Europäischen Investitionsbank (EIB) oder der Europäischen Zentralbank (EZB) oder der Beteiligung an Fonds wie dem Europäischen Entwicklungsfonds oder der Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei gehen.Laut den Richtlinien für die erste Phase der anstehenden Verhandlungen, die am 22. Mai noch von den Mitgliedstaaten abgesegnet werden müssen (siehe Zeitplan), fußt die finanzielle Schlussrechnung für London auf dem Grundsatz, “dass das Vereinigte Königreich für seinen finanziellen Anteil an sämtlichen während seiner Mitgliedschaft in der Union eingegangenen Verpflichtungen aufkommt”. Nach Angaben von EU-Beamten wird es auch keine Gegenrechnung geben in Bezug auf Gebäude oder andere Assets, die während der 43-jährigen Mitgliedschaft Großbritanniens in der Union angeschafft wurden. Diese gehörten der EU und nicht anteilig den Mitgliedern, hieß es dazu in Brüssel. Vorwürfe von MayWie hoch die Brexit-Rechnung an London werden könnte, dazu hielt sich Barnier bei seinem gestrigen Auftritt in Brüssel erneut bedeckt. Bislang war immer von einer Summe von rund 60 Mrd. Euro die Rede gewesen. Die “Financial Times” berichtete nun, dass die EU sogar insgesamt brutto 100 Mrd. Euro in Rechnung stellen könnte. Das Blatt berief sich dabei auf eigene Berechnungen, die auf angeblich höheren Forderungen aus Deutschland und Frankreich zurückgingen. Barnier betonte dazu nur, es sei nie davon die Rede gewesen, dass Großbritannien einen Blankoscheck unterschreiben solle.In London war die Aufregung dennoch groß. Premierministerin Theresa May erhob schwere Vorwürfe. Es gebe einige in Brüssel, die nicht wollten, dass die Brexit-Verhandlungen zum Erfolg führten, sagte sie. Von europäischen Politikern und Beamten seien sogar Drohungen gegen Großbritannien ausgestoßen worden. Die Äußerungen seien gezielt so gesetzt worden, dass sie die Parlamentswahl beeinflussten, monierte May. “Wir glauben weiterhin, dass kein Deal für Großbritannien besser ist als ein schlechter Deal.”Mays zuständiger Minister David Davis hatte zuvor bereits klargestellt, dass die britische Regierung keine 100 Mrd. Euro für den Austritt aus der Europäischen Union zahlen werde. Der Betrag der Brexit-Rechnung werde in den Verhandlungen geklärt, betonte er.Die Verhandlungen sollen unmittelbar nach den Unterhauswahlen im Juni beginnen. Barnier erklärte, er hoffe im Schlussquartal auf eine Grundsatzeinigung für die erste Phase, in der auch die Rechte der über 4 Millionen vom Brexit betroffenen Bürger geklärt werden sollen. Erst danach soll über das künftige Verhältnis gesprochen werden.