Brisante Treffen von EZB und Banken

Begegnungen im geschlossenen Kreis kurz vor wichtigen Voten - Kalender von Draghi & Co. offengelegt

Brisante Treffen von EZB und Banken

Das Verhältnis von Zentralbankern und Geschäftsbankern sowie Marktteilnehmern ist seit jeher ein besonderes. Nun heizen veröffentlichte Terminkalender der EZB die Debatte über womöglich zu enge Drähte weiter an.ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zum ersten Mal Terminkalender von Notenbankchef Mario Draghi und den anderen fünf Direktoriumsmitgliedern veröffentlicht und dabei unter anderem regelmäßige Treffen mit Bankern und anderen Vertretern der Finanzbranche offengelegt. Für besonders viel Aufregung sorgten dabei Termine von Benoît Coeuré und Yves Mersch mit UBS und BNP Paribas am Tag vor sowie – im Falle Coeurés – an einem Tag der geldpolitischen Sitzung vom 3. und 4. September 2014. Bei der Sitzung beschloss der EZB-Rat im Kampf gegen die Mini-Inflation ein Maßnahmenpaket inklusive Zinssenkungen und Anleihekäufen. Wirbel um Coeuré-PanneDie Veröffentlichung heizte die Debatte über eine möglicherweise zu enge Verbindung zwischen den Zentralbankern und Marktakteuren an. Bereits im Mai hatte eine Kommunikationspanne um Coeuré für viel Wirbel gesorgt. Coeuré hatte bei einem Abendessen mit Hedgefonds- und Bankenvertretern eine Rede gehalten, in der er über Details zum Anleihekaufprogramm (Quantitative Easing, QE) sprach, die an den Märkten als neu bewertet wurden. Die Rede wurde aber erst rund zwölf Stunden später öffentlich gemacht.Mit der jetzigen Veröffentlichung reagierte die EZB auf eine Anfrage der “Financial Times” unter Berufung auf Gesetze zur Informationsfreiheit. Künftig dagegen will die EZB regelmäßig die Kalender des sechsköpfigen Direktoriums veröffentlichen. Das hatte sie Ende vergangener Woche mitgeteilt und damit frühere Informationen der Börsen-Zeitung aus Notenbankkreisen bestätigt (vgl. BZ vom 22. und 31. Oktober). Die monatlichen Kalender soll es künftig rückblickend auf drei Monate geben, erstmals im Februar 2016 für November 2015.Die jetzt veröffentlichten Dokumente decken den Zeitraum zwischen August 2014 und August 2015 ab. Insgesamt umfassen sie 65 DIN-A4-Seiten. Das Direktorium ist für die Durchführung der vom EZB-Rat beschlossenen Geldpolitik zuständig und leitet die Tagesgeschäfte.Die Dokumente enthalten eine Vielzahl an Terminen unter anderem mit Politikern wie Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Frankreichs Staatspräsident François Hollande, mit Vertretern internationaler Organisationen, mit Notenbankern anderer Währungsräume sowie mit Medienvertretern. Die meiste Aufmerksamkeit aber erhielten zunächst jene Termine mit Vertretern von Banken, Vermögensverwaltern, Hedgefonds und anderen Finanzakteuren – etwa von UBS, Goldman Sachs, BNP Paribas, BlackRock, Pimco oder Moore Capital. Auch deutsche Adressen wie die Deutsche Bank oder die Deutsche Börse finden sich in den Listen.Für viel Aufregung sorgte insbesondere ein Termin von Coeuré mit BNP Paribas am Morgen des 4. September 2014, dem Tag der geldpolitischen Entscheidung. Zudem hatte sich Coeuré bereits am 2. September, also einen Tag vor Beginn der zweitägigen Ratssitzung, mit UBS-Vertretern getroffen – wie auch sein Direktoriumskollege Mersch. Verstärkte Diskussionen gab es auch über einige Treffen auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise im Sommer 2015, als im Rahmen zahlreicher Telefonkonferenzen wichtige Entscheidungen über die ELA-Notkredite für die Hellas-Banken anstanden.Kritik kam vom grünen EU-Finanzpolitiker Sven Giegold. “Diese Treffen kurz vor Notenbanksitzungen im geschlossenen Kreis sind schon ein fragwürdiges Vorgehen, weil unklar ist, wer aus welchen Gründen Zugang hat, und wer nicht”, sagte Giegold zu dpa-afx. Die EZB müsse darlegen, wie sie sicherstelle, dass bei solchen Treffen keine marktrelevanten Informationen durchsickern. Er nannte es aber erneut falsch, Notenbankern den Kontakt zur Finanzbranche zu untersagen. Genauso hatte er sich mit Blick auf den EZB-Vorstoß zur Offenlegung von Kalendern unlängst in der Börsen-Zeitung geäußert.Insgesamt war der Vorstoß zur Veröffentlichung bei Politikern, Finanzakteuren und Volkswirten auf ein geteiltes Echo gestoßen (vgl. BZ vom 24. Oktober). Einerseits gab es viel Anerkennung für den Schritt in Richtung mehr Transparenz – zumal angesichts der gewachsenen Macht der EZB. Andererseits gibt es aber Zweifel am Nutzen für die Öffentlichkeit und Bedenken, dass die Arbeit der Zentralbanker erschwert wird. EZB weist Kritik zurückDie EZB wies gestern die Kritik an einigen der nun offengelegten Termine zurück. “Wir operieren nicht in einem luftleeren Raum”, hieß es. Der regelmäßige Austausch mit Vertretern der Finanzbranche sei wichtig. Es werde sichergestellt, dass bei solchen Treffen keine marktrelevanten Informationen durchsickern dürfen. In den sieben Tagen vor einer Sitzung ist zudem vorgeschrieben, dass die Euro-Hüter öffentlich keine geldpolitischen Signale mehr geben. Das gleiche Prinzip gelte auch für bilaterale Treffen, hieß es von der EZB.—– Kommentar Seite 1