Britisches Kabinett streitet über Anti-Corona-Politik

Premier Johnson wegen Viruserkrankung im Hospital

Britisches Kabinett streitet über Anti-Corona-Politik

hip London – Premierminister Boris Johnson ist gestern nicht aus dem Krankenhaus entlassen worden, in das er am Sonntagabend eingeliefert worden war. Angeblich führt er dort die Regierungsgeschäfte weiter. Es handele sich um eine vorbeugende Maßnahme, nicht um einen Notfall, verlautbarte sein Sprecher. Außenminister Dominic Raab, der die Geschäfte übernehmen würde, sollte sich Johnsons Gesundheitszustand verschlechtern, sagte auf der täglichen Pressekonferenz der Regierung, er habe zuletzt am Samstag mit Johnson gesprochen. Medienberichten zufolge benötigt er Sauerstoff. Einige Abgeordnete forderten bereits, Johnson solle sich schonen und bis zu seiner Genesung das Ruder abgeben.Zwischen Schatzkanzler Rishi Sunak und Gesundheitsminister Matt Hancock tut sich derweil eine Kluft auf. Während man im Schatzamt die wirtschaftlichen und sozialen Kosten der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus im Blick hat, will sich Hancock nicht die Schuld für den Zusammenbruch des öffentlichen Gesundheitssystems NHS zuschieben lassen, sollte die Zahl der Infizierten unkontrolliert steigen. Zu einem ersten Rückzieher war Hancock bereits gezwungen. Nachdem er am Sonntagmorgen in einer BBC-Talkshow mit dem Verbot von sportlichen Aktivitäten im Freien gedroht hatte, “wenn sich zu viele Leute nicht an die Regeln halten”, musste er auf der täglichen Pressekonferenz der Regierung am Nachmittag zugeben, eine Verschärfung der Ausgangsbeschränkungen sei “nicht unmittelbar” vorgesehen.In Großbritannien werden die Forderungen nach einer Strategie für den Ausstieg aus den Maßnahmen lauter, die weite Teile des Wirtschaftslebens zum Erliegen gebracht haben. Der Unmut darüber, bei steigenden Temperaturen die Wohnung nicht verlassen zu können, wächst.Nach Schätzung der Denkfabrik CEBR (Centre for Economics & Business Research) belaufen sich die täglichen Kosten auf 2,4 Mrd. Pfund – annähernd ein Drittel der Bruttowertschöpfung. Am schwersten seien die Freizeitbranche, das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie das verarbeitende Gewerbe betroffen. Kapitalintensiven Branchen nutzten die Stützungsmaßnahmen der Regierung für die Wirtschaft nicht viel, kritisierte CEBR-Gründer Douglas McWilliams. Sunak müsse sich noch einmal überlegen, wie er der Industrie helfen könne, wenn er verhindern wolle, dass im Grunde lebensfähige Unternehmen untergehen. Notenbankchef schießt querAndrew Bailey, der Gouverneur der Bank of England, führte in einem Gastbeitrag für die “Financial Times” aus, dass er nicht für eine monetäre Staatsfinanzierung zur Verfügung stehe. Angesichts der immensen Kosten der Coronakrise hatte der ehemalige Geldpolitiker David Miles erklärt, die Notenbank könne ja durch weitere Anleihenkäufe über die bisherigen Ankündigungen hinaus dazu beitragen, dass die Regierung eventuell erforderliche weitere Ausgaben nahezu zinsfrei finanzieren kann. Durch Handlungen des geldpolitischen Komitees könnten zwar Zentralbankreserven geschaffen werden, schrieb Bailey, aber nicht mit dem Ziel, das Haushaltsdefizit der Regierung zu finanzieren. Das wäre mit der Verfolgung eines Inflationsziels durch eine unabhängige Notenbank unvereinbar. Bailey war noch von Sunaks Vorgänger Sajid Javid ernannt worden.