Brüssel pocht auf koordinierte Exitstrategien in EU
ahe Brüssel – Die EU-Kommission hat einen Katalog von Kriterien und Leitlinien veröffentlicht, auf deren Basis die Mitgliedstaaten ihre Exitstrategien aus den derzeitigen Corona-Beschränkungen angehen sollen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte in Brüssel aber klar, dass dies nicht das Signal sei, dass die Mitgliedstaaten nun die Einschränkungen wieder aufheben sollten. Es gehe aber darum, einen gemeinsamen Rahmen für ein koordiniertes Vorgehen zu setzen.Von der Leyen verwies zugleich darauf, dass die einzelnen EU-Länder sehr unterschiedlich von der Pandemie betroffen seien und jeweils eigene und maßgeschneiderte Ansätze für eine Lockerung der aktuellen Bestimmungen bräuchten. Einen – auch zeitlich – harmonisierten Exit-Ansatz lehnte sie daher ab. Schrittweiser AnsatzDie EU-Kommission sieht als wesentliche Vorbedingung für eine Aufhebung der Beschränkung, dass epidemiologische Kriterien belegen, dass die Ausbreitung des Coronavirus erheblich zurückgegangen und eine Stabilisierung über einen längeren Zeitraum eingetreten ist. Zudem müsse es ausreichende Kapazitäten im jeweiligen Gesundheitssystem – beispielsweise in Bezug auf Intensivpflegeeinrichtungen – sowie ausreichende Überwachungs- und Testkapazitäten geben. Die Aufhebung der Corona-Einschränkungen auch im Wirtschaftsleben sollte dann schrittweise erfolgen. So sollten allgemeine nach und nach durch gezielte Maßnahmen ersetzt werden. Beispielsweise sollten am stärksten gefährdeten Gruppen möglicherweise länger geschützt werden als andere.Die Kontrollen an den EU-Binnengrenzen sollten nur nach Absprache mit den Nachbarstaaten und der EU-Kommission wieder aufgehoben werden. Von der Leyen rechnet allerdings damit, dass die Grenzen im Schengenraum erst “auf lange Sicht” wieder vollständig geöffnet sein werden.Aus dem EU-Parlament kamen gemischte Reaktionen. Iratxe Garcia, Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, monierte, die Leitlinien blieben hinter den Erwartungen zurück. Es müsse klare Hinweise auf den Zeitplan für die verschiedenen Deeskalationsstufen geben sowie ein gemeinsames Protokoll, das von den Mitgliedstaaten anzuwenden sei. Markus Ferber (CSU) kritisierte, die Performance der Mitgliedstaaten in Sachen Koordinierung sei bislang äußerst mager gewesen – “um nicht zu sagen blamabel”. Die Arbeitsweise der nationalen Regierungen müsse sich massiv verändern.Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte die EU-Kommission auf, die Aufhebung der Beschränkungen so zu koordinieren, dass keine neuen Brüche in Liefer- und Wertschöpfungsketten entstünden. “Es ist entscheidend, einen möglichst reibungslosen Warenverkehr im Binnenmarkt schnell wieder zu ermöglichen”, erklärte der BDI. Die europäischen Regierungen sollten grenz- und sektorübergreifend vorgehen, statt national ausgewählten Branchen zu gestatten, die Produktion wieder aufzunehmen.Unterstützung für eine europaweit koordinierte Exitstrategie kam von EU-Ratspräsident Charles Michel. Diese wird nach seinen Angaben auch bei der Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs in der nächsten Woche besprochen werden. Dann werde es zugleich um den Wiederaufbau gehen, bei dem Reparatur und weitere Stärkung des Binnenmarktes im Mittelpunkt stehen. Geberkonferenz Anfang MaiDie EU-Kommission will den Wiederaufbau mit einem massiven Investitionsprogramm unterstützen. “Wir sprechen hier nicht über Milliarden, wir sprechen über Billionen”, sagte von der Leyen. Das Geld solle vor allem aus dem nächsten mehrjährigen Haushalt der EU kommen.Die EU-Kommission regte zugleich eine stärkere internationale Zusammenarbeit beim Kampf gegen das Coronavirus an. Um weltweit Geld für die Entwicklung und Herstellung eines Impfstoffs zu sammeln, veranstaltet die Behörde daher am 4. Mai eine Online-Geberkonferenz. Diese soll helfen, unmittelbare Finanzierungslücken zu schließen.