REFORMIDEEN FÜR DIE EUROPÄISCHE WIRTSCHAFTS- UND WÄHRUNGSUNION

Brüsseler Vorschläge provozieren viel Kritik

Sorge vor Verwischung finanzpolitischer Verantwortlichkeiten - Vorbehalte gegen EU-Finanzminister

Brüsseler Vorschläge provozieren viel Kritik

ahe/fed Brüssel – Die Vorschläge der EU-Kommission für eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion sind in Deutschland auf viel Kritik und nur auf wenig Anerkennung und Lob gestoßen. Vor allem die Überlegung, den Euro-Rettungsfonds ESM von seiner bisher intergouvernementalen Struktur in die Gemeinschaftsmethode zu überführen und damit Deutschland das Quasi-Veto zu entziehen, hat heftigen Widerspruch provoziert.So monierte beispielsweise Gerhard Hofmann, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), eine Umwandlung des ESM in eine europäische Institution sei abzulehnen. “Die bisherige institutionelle Ausgestaltung als intergouvernementaler Vertrag hat sich bewährt und gewährleistet bereits jetzt über die parlamentarische Rückkoppelung ein hohes Maß an demokratischer Legitimität”, erklärte Hofmann.In die gleiche Richtung argumentierte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber: “Es ist gut”, sagte der Finanzexperte, “dass die finale Entscheidung über Hilfsprogramme nach wie vor bei den Mitgliedstaaten verbleibt.” Alles andere würde das “Haftungsprinzip fundamental in Frage stellen”.Kritisch beäugt wird zudem die Idee, den ESM – beziehungsweise den künftigen Europäischen Währungsfonds – als Backstop für den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus einzusetzen. ESM-Umwandlung im FokusKarl-Peter Schackmann-Fallis, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, merkte an, man solle die Verknüpfung von ESM und Bankenabwicklungsfonds (Single Resolution Fund) “genau betrachten, damit Bankenrettung und Länderrettung in Europa nicht noch weiter vermischt werden”.Vermischung oder gar “Verwischung” von finanzpolitischer Verantwortung ist ein Vorwurf, der gestern in einigen Reaktionen auf die Brüsseler Vorschläge geäußert wurde. So beklagte etwa Ifo-Präsident Clemens Fuest in Bezugnahme auf die Idee, den Posten eines europäischen Finanzministers einzurichten, ein solcher Schritt “erweckt die Illusion, die Wirtschafts- und Finanzpolitik werde europäisch gesteuert”. Fuest erinnerte daran, dass Kontrolle und Verantwortung tatsächlich bei den nationalen Parlamenten und Regierungen liege. Die Etablierung eines EU-Finanzministers würde die Zuständigkeiten vermischen.In die gleiche Kerbe schlägt der genossenschaftliche Verbund: Die von der EU-Kommission angeregte Bezeichnung Euro-Finanzminister für den Präsidenten der Eurogruppe sei “ohnehin irreführend”, schließlich gebe es auf Ebene der Eurozone “weder einen gemeinsamen Haushalt noch einen Zugriff auf nationale Budgets”. BVR-Vorstand Hofmann fügte außerdem umgehend an, dass “ein solches Budget auch perspektivisch nicht erforderlich” sei, um die Stabilität des Euro zu sichern.Auch die Sparkassen bewerten die Idee des europäischen Finanzministers skeptisch: “Es ist kritisch zu hinterfragen, ob ein europäischer Finanzminister ohne eigene Kompetenzen für seine Einnahmen wirklich dabei helfen kann, die notwendigen Strukturreformen und Stabilisierungsfunktionen in Europa zu stärken”, betonte Schackmann-Fallis. “Mehr Mut erwartet”Ebenfalls Kritik – aber aus einer ganz anderen Perspektive – äußerten gestern die Sozialdemokraten im EU-Parlament. Ihnen gehen die Vorschläge nicht weit genug. “Das vorgestellte Kommissions-Paket ist im Vergleich zum frischen Wind aus Paris zu wenig engagiert”, beschwert sich Vize-Fraktionschef Udo Bullmann. “Wir Sozialdemokraten hätten deutlich mehr Mut von der EU-Kommission erwartet.” Lediglich die Vorschläge zur Umwandlung des Euro-Rettungsfonds in einen Europäischen Währungsfonds wertet Bullmann als “Lichtblick”. Die Sozialdemokraten unterstützten den Vorschlag, eine Gemeinschaftsinstitution zu schaffen, die Stabilität und Handlungsfähigkeit im Krisenfall garantiere.