Bündel an EZB-Maßnahmen erwartet
Trotz jüngster Signale, die ein leichtes Anziehen der Teuerung und eine Belebung des Kreditmarkts andeuten, wird die EZB eine weitere geldpolitische Lockerungsrunde einläuten – aus Sorge über eine mögliche Verfestigung des deflatorischen Umfelds und wegen zunehmender Konjunkturrisiken in der Eurozone.Von Stephan Lorz, FrankfurtIn Deutschland wurde im November die “höchste Inflationsrate seit einem halben Jahr” gemessen. Grund dafür waren vor allem die deutlich gestiegenen Lebensmittelpreise sowie der auslaufende Basiseffekt der Energiepreissenkungen. Insgesamt kosteten Waren und Dienstleistungen in europäischer Abgrenzung 0,3 % mehr als ein Jahr zuvor, teilte das Statistische Bundesamt mit. Auf den gesamten Euroraum übertragen hat sich die Inflationsrate nach Schätzungen von Ökonomen wohl leicht auf 0,2 % erhöht.Die wieder etwas höhere Teuerung dürfte die EZB aber nicht von ihrem angekündigten Kurs abbringen, die geldpolitische Lockerung noch weiter zu treiben und bei der Sitzung des EZB-Rats an diesem Donnerstag die nötigen Beschlüsse zu fassen. Dafür ist die Entwicklung nach dem Dafürhalten der Notenbank wohl noch zu zögerlich und die Gesamtsituation in der Eurozone noch zu fragil, als dass man die in den Märkten geweckten Erwartungen enttäuschen könnte. Draghis taktisches MotivDer Deka-EZB-Kompass, der die konjunkturell-wirtschaftlichen sowie die monetären Einflussfaktoren auf die Geldpolitik zusammenfasst, zeigt diesbezüglich auch ein recht heterogenes Bild. Er legt zwar keine weitere Lockerung nahe, weil sich “der makroökonomische Datenkranz seit der letzten Ratssitzung nicht wesentlich verändert” hat, wie Deka-Volkswirt Kristian Tödtmann darlegt, doch scheint die EZB in Sorge um ihre Glaubwürdigkeit zu sein, die schwindet, je länger es dauert, bis sie ihr Preisstabilitätsziel wieder auch nur annähernd erreichen wird.Der Index des EZB-Kompasses kletterte im November auf 26,7 Punkte und liegt damit in etwa auf dem gleichen Niveau wie zwei Monate zuvor. Entscheidend, so Tödtmann, sei daher die Beurteilung der mittelfristigen Perspektiven. Er rechnet damit, dass der Mitarbeiterstab der EZB seine Projektionen für das Wirtschaftswachstum ein wenig nach unten revidieren wird. Zwar machten die jüngsten Daten zur Kreditvergabe etwas Hoffnung, aber einer stärkeren Ausweitung der Kreditvergabe stehe nach wie vor eine zurückhaltende Kreditnachfrage im Weg.Es fragt sich zwar, was die EZB überhaupt noch unternehmen kann, um dieses Hindernis zu überwinden. Doch geht es den Notenbankern offenbar vor allem auch darum, die langfristigen Inflationsraten stabil zu halten. Tödtmann vermutet ein taktisches Motiv hinter der anstehenden Lockerungsrunde: Das weitere Aufdrehen des Geldhahns soll die Ernsthaftigkeit, mit der das Inflationsziel angegangen wird, unterstreichen, ohne dass eine leichte Revision der Inflationsprognose nach unten gleich als Kapitulation der Notenbank aufgefasst wird.Der Deka-Volkswirt erwartet am Donnerstag ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Wegen der Liquiditätsbeschränkungen im Markt werde das Wertpapierankaufprogramm zwar nicht erhöht. Es bleibe bei monatlichen Käufen von um die 60 Mrd. Euro. Doch es werde kein explizites Enddatum mehr genannt. Zudem könnte das Spektrum der zum Kauf zugelassenen Anleihen um Papiere von regionalen Gebietskörperschaften erweitert werden. Der Rückgriff auf Anleihen von Bundesländern würde insbesondere der Bundesbank mehr Flexibilität bei den Wertpapierankäufen verleihen, argumentiert Tödtmann.Auch der Einlagensatz wird nach Einschätzung der DekaBank weiter reduziert um 10 Basispunkte auf – 0,3 %. Um Banken mit zu hohen Überschussreserven Druck zu machen und zugleich die nachteiligen Effekte eines negativen Einlagensatzes wie eine drohende Flucht in Bargeld abzumildern, gehen die Ökonomen von einem gestaffelten Zinssatz aus. Um den Gesamteffekt noch zu steigern, könnte die EZB nach dem Vorbild der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs) jenen Banken einen höheren Einlagensatz anbieten, die mehr Kredite vergeben.