DER KAMPF GEGEN DIE FOLGEN DES CORONAVIRUS

Bundesregierung lockert Insolvenzvorschriften

Von Pandemie betroffene Firmen erhalten Aufschub - Maßnahmen gegen Corona-Ausbreitung verschärft

Bundesregierung lockert Insolvenzvorschriften

Reuters/dpa-afx/sp Berlin – Die Bundesregierung lockert für Unternehmen, die von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise betroffen sind, die Insolvenzvorschriften. Firmen, die nur wegen der Pandemie in Schieflage geraten sind, kommen bis Ende September um einen Insolvenzantrag herum, teilte das Justizministerium mit. “Wir wollen verhindern, dass Unternehmen nur deshalb Insolvenz anmelden müssen, weil die von der Bundesregierung beschlossenen Hilfen nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen”, sagte Ministerin Christine Lambrecht (SPD).Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte eine Verschärfung der Maßnahmen zur Eingrenzung der Pandemie ein, die auch das Wirtschaftsleben weiter abbremsen. So soll eine Vielzahl von Geschäften soll geschlossen, Gottesdienste sowie Treffen in Vereinen verboten und Spielplätze gesperrt werden. “Das sind Maßnahmen, die es so in unserem Lande noch nicht gegeben hat”, sagte Merkel in Berlin. Supermärkte und andere Läden, die zur Versorgung der Menschen dienen, sollen offen bleiben – wenn auch mit einer gewissen Steuerung, um Warteschlangen zu vermeiden. Ausdrücklich nicht geschlossen werden sollen auch Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen – aber auch Poststellen, Gartenbau- und Tierbedarfsmärkte oder der Großhandel. Verkaufsverbote für den Sonntag werden ausgesetzt.Firmen, die in dieser außergewöhnlichen Situation in Notlage geraten, erhalten von der Regierung mehr Spielraum, um Insolvenzen zu vermeiden. Normalerweise muss die Geschäftsführung innerhalb von drei Wochen Insolvenz anmelden, wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Das sei “für diese Fälle zu kurz bemessen”, sagte Lambrecht. “Deshalb flankieren wir das von der Bundesregierung bereits beschlossene Hilfspaket mit einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.9.2020 für die betroffenen Unternehmen”, sagte die Ministerin. Ähnliche Ausnahmen hatte die Bundesregierung schon nach den Flutkatastrophen in den Jahren 2002, 2013 und 2016 vor allem für regional tätige Unternehmen beschlossen.Während der 2008 ausgebrochenen Finanz- und Wirtschaftskrise hatte die Bundesregierung die Vorschrift für einen Insolvenzantrag gelockert, wenn eine Firma überschuldet war und ihre Kredite in absehbarer Zeit nicht mehr bedienen konnte. Seither gilt, dass angeschlagene Unternehmen in diesem Fall nicht Insolvenz anmelden müssen, wenn ein Wirtschaftsprüfer ihnen in einem Gutachten Überlebensfähigkeit bescheinigt. In der Coronavirus-Krise droht vielen Unternehmen allerdings eher die akute Zahlungsunfähigkeit, wenn ihnen die Einnahmen wegbrechen. Die Bundesregierung will diese Engpässe mit Liquiditätshilfen in Form von Kredithilfen und Bürgschaften überbrücken.Um zu belegen, dass sie nur wegen der Pandemie in die Krise geraten sind, müssen die Firmen öffentliche Hilfen beantragt haben und sanierungsfähig sein oder mit potenziellen Geldgebern “ernsthaft” über eine Sanierung verhandeln, damit sie um den Insolvenzantrag herumkommen. Das Ministerium werde dazu einen genauen Kriterienkatalog erarbeiten, sagte ein Sprecher. Eine Prüfung, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, werde es vorab aber nicht geben. Notfalls könne die Regierung die Ausnahmen auch bis März 2021 verlängern.