Bundesregierung pocht auf EZB-Posten

Berlin will Lautenschläger-Nachfolge schnell klären - Stark kritisiert Draghi

Bundesregierung pocht auf EZB-Posten

ms/wf Frankfurt/Berlin – Nach der völlig überraschenden Rücktrittsankündigung von EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger pocht Deutschland darauf, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu nominieren. “Mit Blick auf die Nachfolge erhebt Deutschland als größter Mitgliedstaat des Euroraums den Anspruch, weiterhin ein deutsches Mitglied im EZB-Direktorium zu stellen”, erklärte das Bundesfinanzministerium auf Anfrage. Deutschland werde “in Kürze eine geeignete Kandidatin beziehungsweise Kandidaten” benennen.Lautenschläger hatte am Mittwochabend ihren Rückzug zum 31. Oktober verkündet – etwas mehr als zwei Jahre vor dem eigentlichen Ende ihrer achtjährigen Amtszeit. In Notenbankkreisen hieß es, Lautenschläger habe die ultralockere Geldpolitik nicht mehr mittragen wollen. Erst am 12. September hatte der EZB-Rat eine neuerliche breite Lockerung beschlossen, inklusive neuer Nettoanleihekäufe (Quantitative Easing, QE) – und das trotz eines beispiellosen Widerstands im Rat gegen die QE-Neuauflage.Die Entscheidung, wen Berlin nun für den EZB-Posten vorschlägt, dürfte einvernehmlich innerhalb der Koalition fallen. Als wahrscheinlich gilt, dass die Regierung versuchen wird, erneut eine Frau zu nominieren. Als Kandidatinnen gelten Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch und die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel. Das formale Verfahren sieht vor, dass der Europäische Rat auf Empfehlung der europäischen Finanzminister den Posten neu besetzt. Das EU-Parlament und die Europäische Zentralbank (EZB) werden zuvor angehört.Lautenschläger ist nach Jürgen Stark und Jörg Asmussen bereits das dritte deutsche Direktoriumsmitglied, das vor Ablauf der Amtszeit aus dem Führungsgremium der Zentralbank ausscheidet. Während Asmussen aus persönlichen Gründen vorzeitig gegangen war, war Stark 2011 aus Protest gegen die EZB-Krisenpolitik zurückgetreten – genau wie im selben Jahr Axel Weber vom Posten des Bundesbankpräsidenten.Ex-EZB-Chefvolkswirt Stark kritisiert anlässlich des Lautenschläger-Abgangs EZB-Chef Mario Draghi. “Draghi hat den Bogen jetzt endgültig überspannt”, sagt Stark im Interview der Börsen-Zeitung. Draghi habe “den EZB-Rat gespalten”. – Nebenstehender Kommentar Schwerpunkt Seite 7