CDU/CSU mit Abstand stärkste Kraft – AfD bei Jungwählern attraktiv
CDU/CSU mit Abstand stärkste Kraft – AfD bei Jungwählern attraktiv
lz/fed Frankfurt
CDU und CSU sind wie erwartet als mit Abstand stärkste Kraft in Deutschland aus den Wahlen zum EU-Parlament hervorgegangen. Nach dem vorläufigen Ergebnis der Bundeswahlleiterin erreichen die beiden Unionsparteien ein Ergebnis von 30,0% – und damit etwas mehr als 2019. Die SPD liegt nach diesen vorläufigen Zahlen bei 13,9%, rund zwei Prozentpunkte weniger als vor 5 Jahren. Es ist zudem ihr schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl überhaupt.
Die Grünen büßen dramatisch ein, sie notieren in den Hochrechnungen mehr als acht Prozentpunkte unter dem Ergebnis 2019 bei 11,9%, gerade jüngere Wählerschichten kehren der Partei offenbar den Rücken zu. Die FDP verliert leicht und liegt nahe 5%. Damit werden die Liberalen überholt vom erstmals angetretenen, erst sechs Monate alten Bündnis Sahra Wagenknecht, das es auf 6,2% bring. Derweil halbiert sich das Ergebnis der Linken nach ersten Prognosen auf 2,7%. Die AfD legt um fast fünf Prozentpunkte zu und erreicht mit 15,9% damit in Deutschland Platz 2 bei den Europawahlen. Die Partei Volt liegt bei 2,6%.
„Bitteres Ergebnis für die SPD“
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach von einem „bitteren Ergebnis“ für die Sozialdemokraten. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hingegen erklärte: „Das Ergebnis ist klasse.“ Er sieht das Ergebnis vor allem als „Niederlage der Ampelkoalition“. Das eigene Ergebnis sei doppelt so groß wie das der SPD. Erst zusammen kommen die Ampelparteien auf das Niveau der CDU/CSU.
CSU-Chef Markus Söder hat das Europawahlergebnis als klares Votum gegen die amtierende Bundesregierung gewertet. „Die Ampel ist de facto von den Bürgerinnen und Bürgern abgewählt worden“, sagte Söder am Sonntagabend in München.
Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour hat sich enttäuscht über das schwache Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl gezeigt. „Das ist kein Ergebnis, mit dem wir zufrieden sind“, sagte er am Sonntagabend im ZDF. „Unser Anspruch ist ein anderer.“
AfD-Chef zu „Fraktionsverhandlungen“
AfD-Chef Tino Chrupalla sieht im Wahlergebnis „Rückenwind für die Landtagswahlen“ im Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Die AfD sei jetzt „stärkste Kraft“ im Osten. Chrupalla erwartet nach dem Ergebnis seiner Partei bei der Europawahl nun auch baldige Verhandlungen darüber, welcher Fraktion die AfD im Europa-Parlament angehören wird. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir einer Fraktion angehören werden“, sagt er im ZDF. Nun, so argumentiert Chrupalla, habe seine Partei eine beachtliche Größe und „dann wird man uns auch ein Stück weit brauchen.“ Die Verhandlungen würden in den nächsten Tagen geführt.
Die sogenannte ID-Fraktion, zu der die rechtsgerichtete französische Partei Rassemblement National von Marine Le Pen gehört, hatte die AfD zuletzt ausgeschlossen. Zur zweiten Rechtsaußen-Fraktion im EU-Parlament, der EKR, gehören außer der Partei der italienischen Ministerpräsidentin Meloni etwa auch die Wahren Finnen, die Schwedendemokraten und die polnische PiS.
Deutschland stellt 96 von insgesamt 720 Abgeordneten im Europäischen Parlament. Rund 65 Millionen Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik waren zur Wahl aufgerufen, EU-weit waren es rund 360 Millionen Menschen. In Deutschland waren erstmals auch 16- und 17-Jährige wahlberechtigt. Anders als bei Landtags- und Bundestagswahlen gab es keine Fünf-Prozent-Sperrklausel.
Junge Wähler favorisieren AfD und CDU/CSU
Die AfD hat gerade bei den jüngeren Wählern zugelegt. In der Altersgruppe der unter 30-Jährigen habe die rechtsgerichtete Partei zehn Prozentpunkte auf 17% zugelegt, ergab eine Wahlanalyse des ZDF. Bei den 30- bis 44-Jährigen kam sie auf 20%, bei den 45- bis 59-Jährigen auf 18% und bei den über 60-Jährigen auf 11%. Bei der jüngsten Gruppe der 16- bis 24-Jährigen war die AfD zusammen mit der CDU/CSU stärkste Partei mit jeweils 17%. Die Grünen erhielten in dieser Altersgruppe 11%, die SPD 9%.
CDU fordert die Vertrauensfrage
Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nahegelegt, nach dem schlechten Abschneiden der SPD und der anderen Ampelparteien bei der Europawahl die Vertrauensfrage zu stellen. Es sei die Frage, ob er diese stellen sollte, sagte Spahn am Sonntagabend in der ARD. „Die Ampel ist einmal mehr abgewählt worden.“ Scholz habe in der Bevölkerung keine Mehrheit mehr für seine Politik. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat den Wahlausgang als „Desaster“ für die Ampel-Parteien bezeichnet. „Es braucht einen Politkwechsel in Deutschland“, sagt Merz in Berlin. „Es kann so nicht weitergehen, wie es in den letzten zweieinhalb Jahren war.“ Die Ampel schade dem Land, etwa in der Wirtschafts- und Migrationspolitik. Es bedürfte einer Kurskorrektur.
„Stoppzeichen für Bürokratie“
Außenhandelspräsident Dirk Jandura sieht in den Ergebnissen der Europawahl ein deutliches Signal für weniger Bürokratie. „Sie sind ein Stoppzeichen für Bürokraten und zugleich ein Signal des Aufbruchs für eine wirtschaftliche Reformagenda in Europa“, sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura. „Der Wählerauftrag lautet: Schluss mit der ewigen Regulierung, ja zu mehr Freiheit und Wettbewerb.“ Die Europäische Union sei eine großartige Idee und habe viele historische Erfolge erzielt. Der Binnenmarkt, die Freizügigkeit und der Euro seien nur einige davon.