EIN JAHR TRUMP - INFRASTRUKTUR

Chance vertan

Von Peter De Thier, Washington Börsen-Zeitung, 19.1.2018 Während des Wahlkampfs hatte der Kandidat Donald Trump schonungslos Amerikas Infrastruktur kritisiert - von heruntergekommenen Innenstädten über Schlaglöcher auf den Autobahnen bis zu...

Chance vertan

Von Peter De Thier, WashingtonWährend des Wahlkampfs hatte der Kandidat Donald Trump schonungslos Amerikas Infrastruktur kritisiert – von heruntergekommenen Innenstädten über Schlaglöcher auf den Autobahnen bis zu modernisierungsbedürftigen Flughäfen. Wie aber bei vielen anderen Prestigeprojekten, die er sich vorgenommen hat, sind die Chancen der Realisierung deutlich gesunken. Schuld sind neben der drohenden Kräfteverschiebung auf dem Kapitolshügel das vergiftete politische Klima sowie Instabilität und Unsicherheit über die wirtschaftliche Zukunft.Ohne die zahlreichen, selbstverschuldeten Ablenkungen hätte Trump vermutlich schon im Dezember Einzelheiten eines umfänglichen Infrastrukturprogramms vorgestellt. Dies ist nun für die kommenden Wochen vorgesehen. Während der ersten zwölf Monate hatte sich Trump mit den Demokraten an zwei Konfliktpunkten abgearbeitet: Trump wollte um jeden Preis die unter seinem Vorgänger Barack Obama verabschiedete Gesundheitsreform kippen. Als dies nicht gelang, knöpften sich die Republikaner die Steuerreform vor. Es gelang schließlich, Unternehmen zu entlasten. Als Teil des Steuergesetzes wurde die allgemeine Krankenversicherungspflicht abgeschafft und damit ein Kernstück von Obamacare ausgehöhlt.Angeblich sollen nun mindestens 1 Bill. Dollar in den Ausbau von Straßen und Brücken ebenso wie in diverse Bauprojekte und die Verbesserung des Breitbandzugangs fließen. Zwar sollen nur 200 Mrd. Dollar vom Fiskus bereitgestellt werden und der Rest von Unternehmen, die um die staatlichen Aufträge konkurrieren. Das Gesetz wird im Senat wohl kaum eine Mehrheit finden. Fiskalisch konservative Republikaner hatten nur zähneknirschend einer Steuerreform zugestimmt, die das Loch im Staatshaushalt weiter aufreißen wird, und wollen auf keinen Fall Ausgabenprogramme absegnen, die nicht gegenfinanziert sind. Begraben könnte auch schon ein zweites Mammutprojekt sein, nämlich die anvisierte Sozialreform, die Streichungen bei beliebten staatlichen Ausgabenprogrammen zur Folge haben würde. Stellvertretend auch für viele US-Unternehmen weist eine Umfrage der American Chamber of Commerce in Deutschland darauf hin, dass vor diesem unsicheren politischen Hintergrund nur 44 % der befragten Firmen glauben, dass Trumps Wirtschaftspolitik mittel- bis langfristig für mehr Jobs und Wirtschaftswachstum sorgen wird.