Konjunktur

China ringt sich zu beherzterem Zinsimpuls durch

Chinas neueste Konjunkturdaten zu Konsum und Produktion bringen die nächste Enttäuschung. Zur Überraschung der Marktteilnehmer gibt die Zentralbank ihre Zurückhaltung auf und antwortet mit einem Zinssenkungsschritt.

China ringt sich zu beherzterem Zinsimpuls durch

Im Kampf gegen eine anhaltende Entschleunigung der Konjunktur und wachsende Anspannung an Chinas Finanzmärkten hat sich die Pekinger Regierung entgegen den Erwartungen der Analysten für einen dezidierten monetären Impuls entschieden. Parallel zur Verbreitung erneut enttäuschender Wirtschaftsleistungsdaten, die für Juli sowohl auf Produktions- als auch auf Konsumebene neuerliche Dynamikverluste anzeigen, ließ die People’s Bank of China (PBOC) am Dienstag ihren zentralen geldpolitischen Steuerungssatz um 0,15% senken.

Der Zins für einjährige Refinanzierungen der Geschäftsbanken im Rahmen der Medium-Term Loan Facility (MLF) wird um 15 Basispunkte von 2,65 auf 2,5% gesenkt. Gleichzeitig kommt es zu einem Impuls am Geldmarkt, wo sich der Zinssatz für einwöchige Reverse-Repo-Geschäfte von 1,9 auf 1,8% ermäßigt.

Einzelhandel enttäuscht

Die am Dienstag vom Pekinger Statistikbüro gezeigten Daten zu Produktion, Konsum und Investitionen im Juli sind nochmals schwächer als erwartet ausgefallen. Die Industrieproduktion wuchs um 3,7% gegenüber Vorjahresmonat nach zuvor 4,4% im Juni. Als besonders ernüchternd gilt eine weitere Abflachung des Konsums. Im Juli zogen die Einzelhandelsumsätze nur um 2,5% an, was deutlich unter der Konsensschätzung bei 4% liegt.

Auch bei den Anlageinvestitionen liegt man mit einem Anstieg um 3,7% in den ersten sieben Monaten des Jahres unter den Erwartungen. Als Negativfaktor ragen dabei die Investitionen im Immobiliensektor im Zeitraum Januar bis Juli heraus. Hier hat sich der Abwärtstrend mit einem Rückgang von 8,5% gegenüber der Vorjahresperiode nochmals verstärkt. Die Arbeitslosenrate für urbane Gebiete schob sich von 5,2 auf 5,3%.

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Verdächtiges Statistikmanöver

Für Irritationen sorgte das Statistikbüro am Dienstag mit der Verweigerung von neuen Angaben zu der seit dem vergangenen Jahr drastisch angestiegenen Jugendarbeitslosigkeit. Das Thema findet enorme Aufmerksamkeit in China und gilt als ein Faktor für schwindendes Konjunkturvertrauen. Zuletzt im Juni war die Arbeitslosenrate in der Altersgruppe 16 bis 24 Jahre auf rekordhohe 21,3% geklettert und ein weiterer Anstieg im Juli schien bereits vorprogrammiert. Nun heißt es bei der Behörde, man werde die Statistik überarbeiten und „optimieren“, bevor neue Zahlen verbreitet werden.

Trotz der derzeit verfahrenen Konjunktursituation bedeuten die Zinssenkungsschritte eine handfeste Überraschung für die Marktteilnehmer. So waren die Analysten praktisch einhellig davon ausgegangen, dass die Zentralbank beim MLF-Zins an der Seitenlinie verharren und einen monetären Impuls zunächst nur auf die Senkung der Mindestreservesätze beschränken würde.

Die bisherige Zurückhaltung der PBOC ließ sich zum einen damit erklären, dass der seit Frühjahr sehr schwach tendierende chinesische Yuan durch eine wachsende Kluft zum von Inflationssorgen geprägten Zinsniveau in den USA und Europa weiter unter Druck geraten würde, was den Kapitalabwanderungsdruck erhöht. Zum anderen gilt es als fragwürdig, ob sich in einem Umfeld von schwacher Binnennachfrage und geringem Investitionsvertrauen über die Schiene der für chinesische Verhältnisse bereits sehr niedrigen Zinskonditionen die Kreditnachfrage wesentlich anregen lässt.

Andererseits haben Chinas jüngste Inflationsdaten für gehörigen Alarm gesorgt, nachdem der Verbraucherpreisindex im Juli um 0,3% gegenüber Vorjahresmonat zurückfiel. Bei schon seit Monaten rückläufigen Erzeugerpreisen ist China damit erstmals seit Jahren wieder ins Deflationsterritorium gerutscht, was als Einladung für einen raschen monetären Impuls angesehen werden kann.

Chinas Politbüro hatte zur Julimitte deutlich gemacht, dass man auf ein größeres Konjunkturpaket verzichten wird, um sich auf gezielte Maßnahmen zur Anregung des Konsums, Verbesserung des Investitionsklimas und Unterstützung von Privatunternehmen zu konzentrieren. Allerdings ist man im August mit einem neuen Schwall von negativen Wirtschaftsnachrichten konfrontiert worden, die den Staat weiter herausfordern.

Neben dem Deflationssignal, einem erneut starken Rückgang der Exporte und einem Abschmelzen der ausländischen Direktinvestitionen beunruhigt die anhaltend schwache Verfassung des Immobilienmarkts. Die aufs Neue in den Fokus gerückte Verschuldungskrise von Immobilienentwicklern steht im Kontrast zu dem von Peking hochgehaltenen Optimismus, dass die Wirtschaft mitsamt dem Immobilienmarkt in der zweiten Jahreshälfte wieder in Schwung kommt. Pleitegefahren beim Immobilienriesen Country Garden und Anzeichen für Probleme bei einer großen Schattenbank haben die Märkte zudem belastet. Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass man sich nun auch an der Zinsfront einen Ruck gibt.

Märkte bleiben verschnupft

Bezeichnenderweise sind die Marktreaktionen jedoch sehr spröde ausgefallen. So verlor der Leitindex Hang Seng an der Hongkonger Börse am Dienstag weitere 1%, während der CSI 300 genannte Blue-Chip-Index für die Festlandbörsen nach einem Intraday-Verlust von 1,2% letztlich noch 0,2% abgab. Am Devisenmarkt schwächte sich die chinesische Währung um 0,3% ab und notiert nun bei 7,26 Yuan zum Dollar.

Mit den geldpolitischen Maßnahmen vom Montag ist eine Anpassung der Eckzinsen für Unternehmens- und Hypothekenkredite chinesischer Geschäftsbanken quasi vorprogrammiert. Beim nächsten monatlichen Fixing der sogenannten Loan Prime Rate (LPR) am 20. August dürften die sich im Tandem mit dem MLF-Zins bewegenden Vorzugszinsen der Großbanken nun um etwa 15 Basispunkte nach unten gehen. Gegenwärtig liegt die Loan Prime Rate für einjährige Unternehmenskredite bei 3,55% und für fünfjährige Hypothekendarlehen bei 4,20%.

Zuletzt hatte die People’s Bank of China zur Junimitte in Reaktion auf einen enttäuschenden Konjunkturverlauf während des zweiten Quartals und ein stark gedrücktes Aktienmarktsentiment sowohl den MLF-Zins als auch den Reposatz um jeweils 10 Basispunkte gesenkt. Allerdings konnte aufgrund dieser monetären Lockerungsmaßnahme nur eine sehr mäßige realwirtschaftliche Anregungswirkung beobachtet werden. So ist das Neukreditvergabevolumen in den vergangenen Monaten deutlich unter den Erwartungen geblieben.

Als alarmierend gilt das im Zuge der Probleme am Wohnimmobilienmarkt besonders schleppend verlaufende Realkreditgeschäft, zumal private Haushalte immer mehr dazu übergehen, ihre Hypothekendarlehen frühzeitig abzulösen. Bei einer kräftigeren Senkung der Loan Prime Rate für neue Hypothekengelder dürfte die Kreditkündigungswelle allerdings noch forciert werden.

China ringt sich zum Zinsimpuls durch

Zentralbank überrascht mit Lockerungsschritt – Neue Konjunkturdaten zeigen erschreckende Konsumschwäche an

Chinas neueste Konjunkturdaten zu Konsum und Produktion bringen die nächste Enttäuschung. Zur Überraschung der Marktteilnehmer gibt die Zentralbank ihre Zurückhaltung auf und antwortet mit einem Zinssenkungsschritt. Die enorm angestiegene Jungendarbeitslosigkeit wird bis auf weiteres nicht mehr gezeigt.

nh Schanghai
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