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China will sich russischen Erdgas-Luxus leisten

Von Norbert Hellmann,Schanghai Börsen-Zeitung, 30.5.2014 Zwischen dem bevölkerungsreichsten und dem flächengrößten Land der Erde gibt es neue Bande. Ein riesiges Pipelineprojekt soll China und Russland politisch wie auch energiepolitisch...

China will sich russischen Erdgas-Luxus leisten

Von Norbert Hellmann,SchanghaiZwischen dem bevölkerungsreichsten und dem flächengrößten Land der Erde gibt es neue Bande. Ein riesiges Pipelineprojekt soll China und Russland politisch wie auch energiepolitisch zusammenschweißen. Der nach zehnjährigem Verhandlungsmarathon abgeschlossene Erdgaslieferpakt zwischen den Staatsunternehmen China National Petroleum Corporation (CNPC) und Gazprom brauchte einen politisch opportunen Moment, um die Differenzen über die Preisgestaltung für ein dreißigjähriges Lieferabkommen zu überwinden und sich zum “hic et nunc” durchzuringen. Umweltpolitischer DruckChinas Machthaber sind angesichts der öffentlich immer drängender thematisierten umweltpolitischen Probleme unter Zugzwang geraten. Es gilt, die Energieversorgung von der reichlich vorhandenen, aber mit nicht mehr länger hinnehmbarer Luftverschmutzung verbundenen Steinkohle wegzulenken und die CO2-Bilanz mit dem Rückgriff auf Erdgas zu verbessern.In den kommenden Jahren ist mit einer Steigerung des Erdgasverbrauchs um knapp 15 % jährlich zu rechnen, was neuer zuverlässiger Lieferwege bedarf. Bis zum Jahr 2018, wenn die russischen Gaslieferungen nach dem erforderlichen Pipelinebau einsetzen sollen, lässt sich Chinas jährlicher Gasverbrauch auf rund 350 Mrd. Kubikmeter hochrechnen, das wäre fast das Doppelte der letztjährigen Verbrauchsmenge von 168 Mrd. Kubikmetern (siehe Grafik). So gehen die Experten davon aus, dass China 2018 etwa die Hälfte des Gasverbrauchs aus Importquellen bestreiten muss, während derzeit noch 70 % über Chinas heimische Förderquellen abgedeckt werden können.Da man in China – anders als etwa in den USA – noch einen sehr langen Weg vor sich hat, bis die reichhaltigen Vorkommen an Schiefergas mit Fracking-Techniken erschlossen werden können, lässt sich der steigende Verbrauch mit Outputsteigerungen in heimischen Gefilden nicht kompensieren. Außerdem gehen die wachsenden Importmengen mit einer nicht sonderlich überzeugenden Diversifikation der Lieferquellen einher. Knapp die Hälfte des vom Ausland bezogenen Erdgases stammt aus Turkmenistan, einem zentralasiatischen Staat, den man als geopolitischen Wackelkandidaten bezeichnen könnte.Mit dem neuen Vertrag würde Turkmenistan von Russland als größter Lieferant Richtung China abgelöst. Eine transsibirische Pipeline mit Anbindung nach Nordostchina, wie sie nun in Auftrag gegeben ist, wird nämlich nach der Inbetriebnahme im Jahr 2018 die Liefermenge sukzessive auf 38 Mrd. Kubikmeter im Jahr steigern, das sind rund 23 % des chinesischen Erdgasverbrauchs im Jahr 2013 und gut 10 % der für 2018 erwarteten Menge.China ist bereit, sich die energiepolitische Umrüstung als einen der wichtigsten Punkte in der neuen Reformagenda einiges kosten zu lassen. Und in der Tat hat der neue Deal aus chinesischer Sicht trotz einiger russischer Zugeständnisse noch immer einen stolzen Preis. Er ist zwar nicht exakt beziffert worden, doch heißt es aus zuverlässigen Quellen, dass die russische Seite die auch europäischen Abnehmern in Rechnung gestellten Preise von 350 bis 400 Dollar je 1 000 Kubikmeter habe durchsetzen können. Das ist mehr, als von den chinesischen Experten vor dem Deal vermutet worden war, und gilt mit Blick auf die turkmenischen Lieferungen zu etwa 250 Dollar als nicht sonderlich günstig.Für China allerdings zählt, dass die russischen Lieferungen skalierbar sind und in späteren Jahren um weitere 20 Mrd. Kubikmeter jährlich gesteigert werden können. Auch sorgt die bis dahin zu erwartende Aufwertung des Yuan gegenüber dem Dollar für Entlastung.Für Chinas größten Öl- und Gasförderer CNPC bedeutet der Pipeline-Deal die Festigung einer bereits dominanten Position im chinesischen Markt. Derzeit werden 70 % des nationalen Verbrauchs von CNPC selbst gefördert oder importiert. Chance für PreisreformenBeim Researchhaus IHS Energy rechnet man damit, dass die CNPC ab 2018 jährlich über 1 Mrd. Dollar an Gewinnen aus dem Verkauf von russischem Erdgas in nordostchinesischen Provinzen, wo der Substitutionsbedarf von Kohle zu Erdgas am höchsten ist, ziehen wird. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die chinesische Regierung auch bereit ist, bei Energiepreisreformen im Reich der Mitte Gas zu geben.Die staatlich administrierten Abgabepreise bescheren den Ölkonzernen je nach Entwicklung der Weltmarktpreise teils schwere Einbußen bei importiertem Gas. Bei CNPC etwa wurden im vergangen Jahr beim Verkauf von importiertem Erdgas knapp 42 Mrd. Yuan Verlust (4,8 Mrd. Euro) geschrieben. Das heimische Gasförderungs- und Pipelinegeschäft allerdings kam auf knapp 35 Mrd. Yuan Gewinn. Experten sehen den russischen Vertrag als einen wichtigen Katalysator, um die versprochenen Preisreformen und eine engere Anbindung an Weltmarktpreise zügiger voranzubringen.