Chinas Deflationstrend verschärft sich
Chinas Deflationstrend verschärft sich
Konsumpreisindex sinkt im Januar um 0,8 Prozent – Rasche Wende nicht in Sicht – Zinssenkungsdebatte lebt neu auf
Chinas Verbraucherpreise sind im Januar so stark wie seit 14 Jahren nicht mehr gefallen. Der anhaltende Deflationstrend weckt Befürchtungen, dass die Konsumkräfte leiden und Chinas Wirtschaft zusehends an Schwung verliert. Die Marktteilnehmer hoffen nun auf beherztere Zinssenkungsimpulse der Zentralbank.
nh Schanghai
Ein überraschend kräftiger Rückgang der chinesischen Verbraucherpreise im Januar verstärkt die Sorgen um einen hartnäckigen Deflationstrend und verhaltene Wachstumsperspektiven der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft. Im Januar fiel der Konsumpreisindex um 0,8% gegenüber Vorjahresmonat. Dies ist die höchste Schrumpfungsrate seit September 2009. Die Analystenschätzung hatte ein Minus von 0,5% vorweggenommen. Im Dezember lag das Minus bei 0,3%.
Schweinefleisch diktiert den Trend
Chinas Konsumpreise sind nunmehr den vierten Monat in Folge gefallen. Der prononcierte Rückgang im Januar geht vor allem auf Lebensmittelpreise und dabei auf stark verbilligtes Schweinefleisch zurück. Die verhältnismäßig stark in den für Chinas Inflationsberechnung herangezogenen Warenkorb eingehenden Schweinefleischpreise fielen zuletzt um 17% und zogen den Lebensmittelindex damit um 5,7% in die Tiefe.
Chinas Kerninflationsrate befindet sich seit längerem auf einem untypisch niedrigen Niveau, ohne aber die Nulllinie zu unterschreiten. Im Januar sah man einen verhaltenen Anstieg der um Energie- und Lebensmittelpreise bereinigten Teuerungsrate um 0,4% nach zuvor 0,6% im Dezember. Bei den Erzeugerpreisen geht die Reise bereits seit 16 Monaten nach unten. Im Januar wurde ein Minus von 2,5% nach zuvor 2,7% verbucht.
Saisonale Verzerrung
Analysten sind sich uneins, inwiefern die jüngsten Daten als ernstes Alarmsignal zu verstehen sind. Im direkten Vergleich zum vorangegangenen Monat zogen die Verbraucherpreise um 0,3% an. Auch ist der neue Ausweis aufgrund des chinesischen Neujahrsfests saisonal verzerrt. Es fiel 2023 in den Januar und wird 2024 am 10. Februar begangen.
In der Regel ziehen die Preise für Lebensmittel, hochwertige Konsumgüter sowie Tourismus- und Unterhaltungsaktivitäten im Festmonat an. Das führt zu Basiseffekten, die den Index im Januar kräftiger gedrückt haben, aber im laufenden Monat in die entgegengesetzte Richtung wirken dürften.
Längere Durststrecke
Die Experten gehen davon aus, dass Chinas Konsumpreisindex zunächst nicht tiefer absacken wird. Eine rasche Rückkehr zu positiven Inflationsraten ist allerdings unwahrscheinlich. So schätzt man, dass die Verbraucher- wie auch Erzeugerpreisentwicklung für weitere sechs Monate im Deflationsterritorium verharren wird. In diesem Szenario müssen Chinas Wirtschaftslenker eine Negativspirale befürchten, die auf Unternehmensgewinne, Löhne und die Konsumnachfrage abfärbt und Wachstum kostet.
Aller Voraussicht nach wird die Regierung auch in diesem Jahr an einem Wachstumsziel bei 5% festhalten. Die Konsensschätzung der China-Ökonomen lässt allerdings nur einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 4,6% erwarten.
Zentralbank ist gefordert
Marktteilnehmer sehen nun in erster Linie die Zentralbank gefordert. Es gilt, mit Zinslockerungsgesten einem Auftrieb bei den Realzinsen entgegenzuwirken. Im Januar ließ die People’s Bank of China (PBOC) den Zins für einjährige Gelder im Rahmen der Medium-Term Lending Facility (MLF) unerwartet unverändert. Allerdings senkte die Zentralbank die Mindestreservesätze und trug dadurch zur Pekinger Stützungskampagne für den schwächelnden Aktienmarkt bei.
Mitte März soll es sein
Die Analysten erwarten, dass die PBOC in diesem Quartal den bei 2,5% stehenden MLF-Zins senken wird. Das Gros der Experten geht aber davon aus, dass dies nicht zum nächsten Anpassungstermin am 18. Februar geschehen wird, sondern erst Mitte März im Nachgang zum Pekinger Volkskongress, wenn das neue Wachstumsziel feststeht.