Chinas Immobilienmarkt verliert seinen Schrecken

Wohnungspreise ziehen auf breiter Front wieder an - Sektorexperten für 2013 optimistisch gestimmt

Chinas Immobilienmarkt verliert seinen Schrecken

Von Norbert Hellmann, SchanghaiDie chinesische Wirtschaft hat wieder an Fahrt aufgenommen und in ihrem Sog präsentiert sich der lange Zeit als weiche Flanke geltende Wohnimmobilienmarkt in wesentlich stabilerer Verfassung. Die Unsicherheiten bezüglich eines anhaltenden Preisverfalls, der die potenziellen Häuserkäufer zum Abwarten veranlasste und Pleitegefahren bei Immobilienentwicklern heraufbeschwor, haben sich gelegt. Flottere VerkäufeAm Dienstag vom nationalen Statistikbüro verbreitete Daten, die Preisbewegungen in 70 Großstädten und Ballungsgebieten erfassen, zeigen, dass die seit Jahresmitte abzeichnende Erstarkung des Marktes immer breitere Kreise zieht. So haben im November in 53 von 70 Städten die Häuserpreise angezogen, im Oktober war dies nur bei der Hälfte der erfassten Gebiete der Fall. Landesweit wurde allein im November Wohneigentum im Wert von 600 Mrd. Yuan umgeschlagen, das sind 18 % mehr als im Oktober.Der seitens des Statistikbüros errechnete durchschnittliche Preisanstieg von 0,3 % gegenüber Vormonat ist zwar maßvoll, hat aber dennoch eine wichtige Signalwirkung, denn er erfolgt vor dem Hintergrund einer Aufrechterhaltung eines Katalogs an Beschränkungsmaßnahmen, mit dem die Regierung seit Herbst 2010 dämpfend auf den Markt einwirkt. Steuerlicher EingriffZu den regional abgestimmten Maßnahmen gehören unter anderem Beschränkungen für Zweitkäufer, Konditionenverschärfung bei Hypothekarkrediten und eine erstmalige Einführung einer Immobilienerwerbbesteuerung, die sich bislang allerdings als Pilotprojekt auf die Riesenstädte Schanghai und Chonqing begrenzt. Dort sind die Preise im November durchschnittlich nur um 0,2 % vorangekommen, während es in den Metropolen Peking und Guangzhou 0,6 % waren.Ziel der Regierungsmaßnahmen ist es vor allem, die Gefahr eines Ausschlusses weiter Kreisen kleinerer und mittlerer Verdiener vom Wohneigentumserwerb zu verhindern. Diese sind nämlich vom Häuserpreisboom im Gefolge der konjunkturellen Überhitzung nach der Finanzkrise überfordert worden. Die Regierung hat sich andererseits aber einer Gratwanderung ausgesetzt, weil die Preisdämpfung mit einem rapiden Verfall des Umschlags am Häusermarkt einhergegangen war, der die Immobilien- und Baubranche in eine gefährliche Abwärtsspirale zu treiben drohte. Vor allem im vergangenen Jahr gab es ernsthafte Befürchtungen, dass die anfangs leichte Abwärtskorrektur der Häuserpreise in einen krisenhaften Marktkollaps umschlagen könnte. Käufer kommen zurückMittlerweile allerdings stellt man fest, dass die Aussicht auf stabilisierte beziehungsweise wieder leicht anziehende Preise die Käufer in Scharen zurückbringt und die Immobilienentwickler wieder flotte Umsätze machen. Beim Marktführer China Vanke Real Estate etwa zeigt sich der Absatz von Wohnflächen nach elf Monaten um 16 % auf knapp 12 Millionen Quadratmeter angekurbelt, während das Verkaufsergebnis um fast 10 % auf 127 Mrd. Yuan (16 Mrd. Euro) kletterte und damit schon höher liegt als im Gesamtjahr 2011.Sektoranalysten zeigen sich überzeugt, dass sich der Aufwärtstrend am chinesischen Wohnimmobilienmarkt weiter festigt und für das kommende Jahr durchweg anziehende Häuserpreise und Verkaufsvolumina zeitigen wird, zumal die laufende Urbanisierungsbewegung im Reich der Mitte die Nachfrage nach städtischem Wohnraum weiter hochhält. Preisanstiege auch 2013Damit dürften vom Immobilienmarkt und der daran gekoppelten Bautätigkeit positive konjunkturelle Effekte ausgehen. Die Konsensschätzung der Marktexperten läuft gegenwärtig auf einen erwarteten Anstieg der Häuserpreise um 7 % im Jahr 2013 hinaus, an den sich etwas moderater Anstieg um 4 % im Jahr 2014 anschließen würde.Bezeichnenderweise gibt es derzeit keine Marktstimmen, die mit einer erneuten Abkühlung des Marktes rechnen – die Gefahr eines chinesischen Immobiliencrashs scheint damit in weite Ferne gerückt zu sein. In Peking dürfte allerdings die Sorge vor einem neuerlichen Preisgalopp zunehmen. So ist damit zu rechnen, dass aus dem Pilotprojekt in Schanghai und Chongqing eine landesweite Immobilienbesteuerung erwächst.