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Chinas Präsident konsolidiert seine Macht mit neuer Altherrenriege

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 26.10.2017 Mit der Bestellung der neuen Führungsriege Chinas sind auch die letzten Zweifel gewichen, dass die Volksrepublik in den kommenden Jahren und möglicherweise noch über Dekaden hinweg von...

Chinas Präsident konsolidiert seine Macht mit neuer Altherrenriege

Von Norbert Hellmann, SchanghaiMit der Bestellung der neuen Führungsriege Chinas sind auch die letzten Zweifel gewichen, dass die Volksrepublik in den kommenden Jahren und möglicherweise noch über Dekaden hinweg von einem einzigen Mann dominiert wird. Nur 24 Stunden nachdem der Staatspräsident und Parteichef Xi Jinping seinen Namen in der Verfassung der Kommunistischen Partei verewigen konnte, was ihn auf eine Rangstufe mit dem Gründer der Volksrepublik Mao Tse-tung und ihrem wichtigsten Reformer, Deng Xiaoping, hebt, trägt auch die Neubesetzung des ständigen Ausschusses des Politbüros als oberstem Machtzirkel ganz seine Handschrift. Lauter gute KumpelsDie am Mittwoch erfolgte feierliche Vorstellung der siebenköpfigen Führungsriege in der Großen Halle des Volkes in Peking hat keine große Überraschung, sondern eher die Bestätigung gebracht, dass der mittlerweile allmächtig wirkende Xi das Führungsgremium für die kommenden fünf Jahre in erster Linie mit besonders treuen Gefolgsleuten und ehemaligen Weggefährten besetzt.Neben dem amtierenden Premierminister und damit für weitere fünf Jahre praktisch gesetzten Li Keqiang sind die fünf neuen Mitglieder im ständigen Ausschuss Li Zhanshu, Wang Yang, Wang Huning, Zaho Leji und Han Zheng im Alter von 60 Jahren und mehr, was einer entscheidenden taktischen Weichenstellung gleichkommt.Mit einem Bruch der in den letzten 30 Jahren etablierten Gepflogenheiten kann man mit der Neubestellung im ständigen Ausschuss nach einer ersten fünfjährigen Amtszeit des Führungsduos von Präsident und Premier nun nicht mehr erkennen, wer für die Nachfolgegeneration an der Spitze der Volksrepublik auserkoren wurde. Die jetzige Selektion einer Altherrengarde bedingt nämlich, dass diese mit dem nächsten großen Parteitag in fünf Jahren aus dem Gremium ausscheiden wird beziehungsweise nicht für die höchsten Ämter in Frage kommen kann. Damit gibt es vorerst keinen designierten künftigen Präsidenten und Premier für die kommende Zehnjahresperiode. Kein Nachfolger in SichtBei den politischen Beobachtern ist man sich darüber einig, dass dies ein starkes Indiz für eine fortgesetzte Chefrolle von Xi ist, der sich gegenwärtig nicht auf einen Nachfolger festlegen möchte. Zwar bedingen die gegenwärtigen Regularien eigentlich zwingend, dass in fünf Jahren ein neuer Präsident antritt. Allerdings könnte Xi mit der jetzt erreichten Machtfülle Mittel und Wege finden, diese Hürde zu überwinden. Da es wiederum keine explizite Altersregelung für den Generalsekretär der Kommunistischen Partei als eigentlich mächtigsten Mann im politischen Systems Chinas gibt, könnte Xi alternativ in fünf Jahren zwar einen neuen Präsidenten “bestellen”, aber unverändert in der Rolle des Parteichefs agieren und damit die Zügel in der Hand behalten.Das im Fernsehen übertragene Spektakel eines Defilees der neuen Führungsriege ist mit einem Auftritt in hierarchischer Reihenfolge verbunden. Als größtes Spannungsmoment galt damit am Mittwoch, wer nach Xi Jinping und Li Keqiang als Dritter auf dem roten Teppich vor die Öffentlichkeit treten würde – und siehe da, es war der bereits 67-jährige Chef des Generalbüros des Zentralkomitees, Li Zhanshu, der in den letzten Jahren die Rolle eines persönlichen Stabschefs und damit engsten Mitarbeiters von Xi erfüllt hatte. Direkter Draht zu PutinXi und Li kennen sich bereits seit den Achtzigern, als sie in der Provinz Hebei in noch relativ niedrigen politischen Funktionen als Bezirkschefs dienten. Li war dann allerdings lange in der Versenkung verschwunden, bis er beim Amtsantritt Xis in eine Rolle als Quasi-Stabschef gehievt wurde und seitdem den Präsidenten auf allen diplomatischen Auslandsmissionen begleitet. Dabei gilt er insbesondere als persönlicher Verbindungsmann zwischen Xi und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.Als Nächster auf dem roten Teppich folgte mit Wang Yang (62) ein Politiker, dem man sicherlich bescheinigen kann, dass er nicht allein wegen der Nähe zu Xi, sondern vor allem wegen großer Kompetenz Aufnahme in das neue Gremium gefunden hat. Der ökonomisch beschlagene frühere Parteisekretär von Guangdong als wirtschaftlich stärkster chinesischer Provinz gilt als ein reformorientierter Politiker, dem man eigentlich schon vor fünf Jahren mit dem Antritt von Xi den Sprung in den ständigen Ausschuss zugetraut hatte. Wang spielte dann allerdings im Politbüro als zweitwichtigster Führungsebene eine tragende Rolle als ein Vizepremierminister mit Zuständigkeit für Wirtschaftspolitik. Beziehungspflege mit USAWang gilt auch als wichtigster Verbindungsmann für die Pflege der Beziehungen zu den USA und trägt damit auch in den aktuellen Zeiten problemgeladener Handelsbeziehungen zwischen China und den USA unter Donald Trump eine besondere Verantwortung. Zudem war Wang von Xi in den letzten Jahren mit der Umsetzung des chinesischen Armutsbekämpfungsprogramms als einer der wichtigsten Initiativen des Präsidenten betraut worden. Künftig nun dürfte er als exekutiver Vizepremier die Arbeit von Li Keqiang im Regierungskabinett unterstützen. Top-Ideologe und “Träumer”Auf dem fünften Platz sieht man mit Wang Huning (62) eine Besetzung, die Xi Jinpings Fokussierung auf eine ideologische Linie unter dem Banner der Partei herausstreicht. Der frühere Dekan der Rechtsfakultät der bekannten Fudan-Universität in Schanghai gilt bereits als Chinas Chefideologe und führender politischer Theoretiker, der die akademischen Grundlagen für die Stellung der Kommunistischen Partei in einer modernen Gesellschaft erarbeitet. Dabei hat Wang als langjähriger Leiter des politischen Forschungsbüros des Zentralkomitees nicht nur Xi, sondern auch bereits seinen beiden Amtsvorgängern Hu Jintao und Jiang Zemin als akademischer und politischer Berater und auch Redenschreiber zur Seite gestanden. Wang wird auch die Entwicklung der Vision vom “Chinesischen Traum” zugeschrieben, der sich zu einem Leitmotiv der Xi-Zeit entwickelt hat. Im ständigen Ausschuss wird Wang naturgemäß in die Rolle des Propagandachefs schlüpfen und für Parteiorganisation zuständig sein. Neuer KorruptionswächterHinter Wang ist Zhao Leji (60) als jüngstes Mitglied des neuen Gremiums aufs Podest getreten und hat als einziger altersbedingt eine theoretische Chance, auch in fünf Jahren noch einmal berücksichtigt zu werden. Zhao hatte sich einen Namen als langjähriger Chef der eher strukturschwachen Provinz Qinghai gemacht. Nach einer weiteren Station als Parteichef von Shaanxi, der Provinz, aus der Xi stammt, wurde er vor fünf Jahren in das Politbüro als Leiter des zentralen Amts der Parteiorganisation berufen, mit dem sich insbesondere auch die Vergabe von wichtigen Posten auf Provinz- und Zentralebene verbindet. Zhao wird nun im ständigen Ausschuss als Nachfolger Wang Qishans die Zentralkommission für Disziplinarinspektion übernehmen. Damit tritt er in die Funktion als Chinas oberster Korruptionsbekämpfer, um die unter Xi entfachte beispiellose Disziplinierungs- und Säuberungskampagne auf allen Ebenen des Partei- und Verwaltungsapparats weiterzuführen.Siebter im Bunde schließlich ist ein Kandidat, den nur wenige auf dem Zettel hatten, nämlich der Parteichef von Schanghai, Han Zheng (63). Auch er ist ein enger Bekannter von Xi und stand als Bürgermeister von Schanghai unter ihm, als Xi vor zehn Jahren dort als Parteichef agierte. Han ist eigentlich ein Protegé des Ex-Präsidenten Jiang Zemin, der auch mit 91 Jahren noch eine Rolle in der Partei spielt. Mit der Berufung von Han schlägt Xi zwei Fliegen mit einer Klappe, weil er einen alten Getreuen befördert und mit der Aufnahme eines Repräsentanten des Jiang-Flügels etwaigen parteiinternen Spannungen zuvorkommt. Han dürfte künftig als Präsident der Konsultativkonferenz des Volkskongresses wirken.Mit den Provinzfürsten von Guangdong und Chongqing, Hu Chunhua (54) und Chen Miner (57), sind zwei eigentlich heiße Kandidaten für das Topgremium nicht berücksichtigt worden und nur in das Politbüro aufgerückt. Bei beiden handelt es sich zwar ebenfalls um Verbündete von Xi, aber sie wären kraft ihres Alters bei einer Aufnahme in den ständigen Ausschuss als die designierten politischen Führer der Zukunft verstanden worden. Dies aber genau galt es wohl in der jetzt von Xi orchestrierten Hierarchiebesetzung zu verhindern. Nur keine “lame duck”Eine Berufung von Politikern mit Zukunftspotenzial hätte die von Xi beanspruchte Sonderstellung sicherlich unterminiert und ihn möglicherweise gar gegen Ende der jetzt anbrechenden Fünfjahresperiode zur “lame duck” machen können. Mit den jetzt erfolgten Weichenstellungen hingegen hält sich Xi alle Optionen für die künftige Führung des Landes und nicht zuletzt gar die Verlängerung seiner Präsidentschaft für eine dritte Amtszeit offen.