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Chinas Umweltaspekte rücken in den Vordergrund

Börsen-Zeitung, 18.5.2018 Letzten Monat nahmen wir an einer Reise der Investmentbank China International Capital Corporation Ltd. (CICC) in das Land der Mitte teil, um ein besseres Verständnis für die Lage der Konjunktur vor Ort zu gewinnen. Der...

Chinas Umweltaspekte rücken in den Vordergrund

Letzten Monat nahmen wir an einer Reise der Investmentbank China International Capital Corporation Ltd. (CICC) in das Land der Mitte teil, um ein besseres Verständnis für die Lage der Konjunktur vor Ort zu gewinnen. Der Fokus lag dieses Jahr auf Rohstoffen und der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die Reformbemühungen der Regierung hinsichtlich des Abbaus des Angebotsüberhangs sind nach wie vor beeindruckend. Im Vergleich zu meiner ersten Reise im Jahr 2016 sind die vorgelagerten Industrien im Allgemeinen finanziell wesentlich besser aufgestellt. Der Schwerpunkt der Reformen hat sich entsprechend den Aussagen von Präsident Xi in den letzten Monaten von der ökonomischen hin zur ökologischen Stabilität verlagert. Es wird allgemein angenommen, dass sich ein geringeres Angebot positiv auf die Rohstoffpreise auswirken wird, obwohl ein verstärkter Fokus auf die Bekämpfung der Umweltverschmutzung unbeabsichtigte Folgen für die Nachfrage haben könnte.Man muss der chinesischen Regierung sicherlich anrechnen, dass ihre ehrgeizigen Versuche zur Optimierung der ineffizienten Stahlproduktion und zur Steigerung der Rentabilität offensichtlich Wirkung zeigen. Dies zeigte sich während meines Besuches in der Stadt Tangshan, einer der großen Stahlproduktionsstätten Chinas. Dort sah ich Range Rover und Lamborghinis mit “Diamanteffekt”-Lackierung vor Hotels parken und bemerkte generell mehr deutsche Autos auf den Straßen als bei meinen vorherigen Besuchen. Außerdem ist es offensichtlich, dass aufgrund einer Verschärfung der rechtlichen und finanziellen Vorschriften ineffiziente Stahlproduzenten vom Markt verdrängt wurden. Größere und rentablere Unternehmen profitieren von Größenvorteilen und weisen nach wie vor volle Kapazitätsauslastung auf. Des Weiteren werden Stahlwerke und andere Industriebetriebe aufgrund der Bemühungen der chinesischen Regierung dazu gezwungen, in umweltverträglichere Anlagen zu investieren. Eine weitere interessante Beobachtung war, dass die lokalen Behörden trotz der negativen Auswirkungen auf das Wachstum die Umweltauflagen der Zentralregierung in Peking nicht ignorieren, sondern sogar noch strengere Umweltmaßnahmen umsetzen. Beispielsweise haben wir gehört, dass die weißen Rauchemissionen von Stahlwerken in Tangshan ab November dieses Jahres nicht mehr zugelassen sind, obwohl die dortigen Produzenten nicht über die notwendigen Technologien verfügen. Auch wenn derartige Maßnahmen wahrscheinlich nicht in vollem Umfang umgesetzt werden, so unterstreichen sie doch das Bemühen der lokalen Behörden, konkrete Schritte zum Schutz der Umwelt zu ergreifen. Mit der durch die Regierung vorgenommene Verlagerung weg von einem rein ökonomischen hin zu einem umweltverträglichen Wirtschaftswachstum besteht sicherlich auch das Risiko einer Überregulierung. Jedoch führte die erhebliche Verbesserung bei der Koordinierung von staatlichen Richtlinien und deren Umsetzung in den vergangenen zwei Jahren dazu, dass wir zuversichtlich in die Zukunft blicken können. Ich bin daher davon überzeugt, dass entsprechende Maßnahmen bei ersten Anzeichen einer Überregulierung ergriffen werden. Furcht vor neuen Zöllen?Stahlproduzenten und andere Marktteilnehmer, mit denen wir sprachen, zeigten sich nicht sonderlich besorgt über die zunehmende protektionistische Rhetorik und Politik der USA. Man war allgemein der Auffassung, dass die bislang ergriffenen Maßnahmen in ihrer Wirkung noch relativ begrenzt sind und dass sich die USA mit drastischeren Maßnahmen vor allem selbst schädigen würden. Zugegebenermaßen war ich doch etwas überrascht, eine solch entspannte Haltung zu sehen, obwohl wir uns im Großen und Ganzen dieser Ansicht anschließen, wie wir in unserem Blog letzte Woche dargelegt haben. Darüber hinaus wurde in Gesprächen mit einigen angesehenen Wirtschaftswissenschaftlern deutlich, dass die Risiken einer Überregulierung auf nationaler Ebene die eines Handelskrieges bei weitem überwiegen.Der Zeitpunkt des diesjährigen chinesischen Neujahrsfests erschwert die Analyse und Interpretation der jüngsten weichen Konjunkturdaten erheblich. Die Nachfrage auf dem chinesischen Markt verzeichnet zwar nach dem Neujahrsfest eher eine saisonal bedingte Flaute, aber dieses Jahr verläuft die Erholung ungewöhnlich langsam. Zum jetzigen Zeitpunkt und als Ergebnis der Gespräche auf unserer Reise gehen wir davon aus, dass es sich bei der aktuellen Nachfrageschwäche eher um eine zwischenzeitliche Verzögerung handelt und nicht um eine langfristige Abkühlung. Die Stahlvorräte scheinen sich aktuell rückläufig zu entwickeln, was diese Beobachtung weiter bestätigt. Das Wachstum dürfte unserer Erwartung nach daher im zweiten Quartal wieder anziehen. Des Weiteren deuten Umfragen zum Verbraucher- und Unternehmensvertrauen auf einen nachhaltigen makroökonomischen Aufschwung hin.Obwohl wir einige Risiken bei unseren Emerging-Markets-Anleihen und Emerging-Market-Multi-Asset-Strategien vor dem jüngsten Abverkauf auf den Märkten etwas reduziert hatten, ist unserer Meinung nach der positive Wachstumstrend weiterhin intakt. China hat einen bedeutenden Anteil am weltweiten Konjunkturaufschwung und unsere Bewertung des Landes stützt unsere positive Einschätzung des globalen Wirtschaftswachstums. Nach unserer Auffassung bieten weitere Marktkorrekturen im Zusammenhang mit dem sich abschwächenden Wachstum in China eine gute Gelegenheit, unser Engagement zu attraktiven Konditionen auszubauen. Starker Renminbi erwünschtBezüglich einer Bottom-up-Positionierung gehen wir in Bezug auf den Renminbi gegenüber anderen regionalen Währungen weiterhin von einer positiven Entwicklung aus. Der abnehmende Zinsabstand zu den USA (z. B. die Differenz zwischen dem US-amerikanischen und chinesischen Leitzins) bringt zwar Herausforderungen mit sich, aber insgesamt ist die Zahlungsbilanz zwischen den Ländern stabil. Kapitalabflüsse sind weiterhin moderat und Kapitalzuflüsse gewinnen zunehmend an Dynamik. Dies ist vor allem auf die aktuellen Liberalisierungsmaßnahmen und Benchmark-Ankündigungen zurückzuführen, während gleichzeitig der starke globale Konjunkturaufschwung das Exportwachstum antreibt. Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass ein starker Renminbi von der Regierung durchaus erwünscht ist, da dies das Kapital im Land hält und die chinesische Position in den Handelsgesprächen mit den USA stärkt.—-Mark EvansInvestment Analyst Emerging Market Debt and Currency, Investec Asset Management