Chinas Wirtschaft schlittert erneut in die Deflation
China schlittert erneut in die Deflation
Verbraucherpreise sinken im Oktober um 0,2 Prozent – Schwacher Konsum rückt in den Fokus – Monetäre Impulse in Sicht
Chinas Verbraucherpreise sind im Oktober wie zuvor bereits im Juli leicht unter die Nulllinie gegangen. Der schwache Preistrend gilt als Reflex eines fragilen Konsumklimas und einer insgesamt gedämpften Konjunktur. Das könnte die Zentralbank kommende Woche mit einer leichten Zinssenkung auf den Plan rufen.
nh Schanghai
Chinas Verbraucherpreisindex ist im Oktober um 0,2% im Jahresvergleich gefallen. Damit rutscht China bei den monatlichen Preisdaten zum zweiten Mal in diesem Jahr ins Deflationsterritorium ab. Im Juli hatte das Statistikbüro mit einem Rückgang um 0,3% erstmals seit zweieinhalb Jahren wieder eine Deflation ausgewiesen. Im Folgemonat hatten die Verbraucherpreise dann zwar um 0,1% zugelegt, um im September wieder auf die Nulllinie zu gehen.
Seit April hat sich die Teuerungsrate im Band zwischen –0,3 und 0,2% auf einem für China ungewöhnlich niedrigen Niveau dargestellt. Bei den Erzeugerpreisen beobachtet man seit Herbst 2022 eine anhaltende Deflation, im Oktober wurde ein Minus von 2,6% nach 2,5% im September verbucht.
Schweinefleisch regiert
Beim Blick auf die Einzelkomponenten zeigt sich erneut, dass vor allem die Lebensmittelpreise mit zuletzt –4% im Oktober entscheidend für die deflationäre Tendenz sind. Hier spielt vor allem Schweinefleisch eine entscheidende Rolle, das mit hohem Gewicht in den Warenkorb für die Inflationsberechnung eingeht. Zuletzt brachen die Schweinefleischpreise um 30% gegenüber Vorjahr ein.
Experten rechnen damit, dass sich der scharfe Preisrückgang bei den Lebensmitteln aufgrund von Basiseffekten in den kommenden Monaten lindern wird, so dass sich kein weiter anziehender Deflationstrend bei den Verbraucherpreisen einstellen sollte. Gleichzeitig zeugt jedoch die um Lebensmittel- und Energiepreise bereinigte Kerninflationsrate von einem zurückhaltenden Konsumtrend. Im Oktober lag man hier bei einem Plus von 0,6 nach zuvor 0,8%.
Laue Binnennachfrage
Insgesamt gibt es wenig Anzeichen für eine wesentliche Belebung der Binnennachfrage, auf deren Basis es zu einer raschen Normalisierung des Verbraucherpreistrends kommen könnte. Das von der Regierung abgesteckte Inflationsziel für 2023 liegt bei unverändert 3% ist aber seit mehreren Jahren zum Teil deutlich unterschritten worden. Die Konsensschätzung der Analysten für die Inflationsrate im Gesamtjahr liegt nun bei 0,5%. In den beiden Vorjahren waren es 2 und 1%.
An Chinas Finanzmärkten sind die neuen Preisdaten mit einiger Gelassenheit aufgenommen worden. Der Hongkonger Leitindex Hang Seng gab um 0,3% ab, während der CSI-300-Blue-Chip-Index für die Börsen in Schanghai und Shenzhen seitwärts tendierte. Auch der chinesische Yuan zeigte kaum Veränderung zum Dollar. Bei den Marktteilnehmern scheinen sich Ernüchterung über das gedrückte Preisklima – als Reflex einer schwachen Binnennachfrage – und Hoffnungen auf weitergehende monetäre Impulse in etwa die Waage zu halten.
Zinssenkung denkbar
Da die chinesische Regierung einigermaßen empfindlich auf das Thema Deflation und daran geknüpfte negative Konjunktureinschätzungen reagiert, halten es Analysten nun für wahrscheinlich, dass die Zentralbank in Kürze einen geringfügigen Zinsimpuls setzen wird. Am 15. November wird die People’s Bank of China (PBOC) bei der monatlichen Zuteilung von einjährigen Refinanzierungsgeldern für Geschäftsbanken, die als Medium-Term Lending Facility (MLF) bezeichnet wird, eine entsprechende Gelegenheit haben, ihren wichtigsten geldpolitischen Steuersatz anzupassen.
Marktteilnehmer rechnen nun mit einer Rücknahme des MLF-Zinses um 10 Basispunkte auf dann 2,4%. In der Regel folgt einem solchen Signal der Notenbank dann wenige Tage später auch eine Senkung der als Loan Prime Rate (LPR) bezeichneten Benchmark für die Zinskonditionen der Geschäftsbanken bei einjährigen Unternehmenskrediten und fünfjährigen Hypothekendarlehen.
Als ebenfalls wahrscheinlich gilt, dass die PBOC im weiteren Jahresverlauf erneut die Mindestreservesätze auf Bankeneinlagen senken und damit Liquidität freisetzen wird. Dies eröffnet Banken erweiterte Spielräume für eine zusätzliche Kreditvergabe oder aber das Absorbieren von neuen Bondemissionen seitens Lokalregierungen oder des Zentralstaates.
Letzteres ist von besonderer Bedeutung, nachdem Peking im Oktober als fiskalpolitische Stimulierungsmaßnahme eine außerpanmäßige Begebung von Staatsanleihen im Umfang von 1 Bill. Yuan (rd. 128 Mrd. Euro) angekündigt hatte. Sie dient dem Anstoßen neuer öffentlicher Investitionen und soll im Laufe des Quartals über die Bühne gehen.