Conte räumt das Feld
Die seit Wochen schwelende Regierungskrise in Italien hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Ministerpräsident Giuseppe Conte will sein Amt zur Verfügung stellen. Jetzt ist Präsident Sergio Mattarella am Zug. Er kann das Parlament auflösen und Neuwahlen anordnen oder den Auftrag zur Suche einer neuen Regierung erteilen.BZ Frankfurt – Die populistische Regierung in Italien ist am Ende. Der parteilose Ministerpräsident Giuseppe Conte hat am Dienstagnachmittag im Parlament in Rom seinen Rücktritt angeboten. Die weitere politische Zukunft des Landes liegt jetzt also in den Händen von Italiens Präsident Sergio Mattarella. Er kann das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen oder aber auch den Auftrag zur Suche nach einer neuen Regierung erteilen. Mattarella werde wahrscheinlich am heutigen Mittwoch in förmlichen Gesprächen mit Vertretern der Parteien Wege aus der Krise sondieren, sagte ein Regierungsvertreter in Rom am Dienstagabend.Neuwahlen würden dem rechtspopulistischen Innenminister Matteo Salvini in die Karten spielen. Seine Lega liegt nicht zuletzt wegen des harten Anti-Einwanderungs-Kurses in Umfragen weit vorn und hätte Aussichten, bei einem vorzeitigen Urnengang die bei weitem stärkste Partei Italiens zu werden.Doch Italiens Regierungskrisen sind notorisch kompliziert – und diese hier ist besonders kompliziert. Die Zeitung “Corriere della Sera” sprach von der “verrücktesten Regierungskrise der Welt”. Analysten wie die von der Großbank Barclays beschreiben die jetzige Krise als “eine der unvorhersehbarsten” in der modernen italienischen Geschichte. Der Polit-Analyst Wolfango Piccoli sieht ein “absurdes politisches Theater”. Denn alle Parteien spielen ein taktisches Spielchen.Conte nutzte seine vermutlich letzte Rede vor dem Parlament in Rom zu einer scharfen Abrechnung mit Salvini. Seine Entscheidung, die Koalition aus rechter Lega und Fünf-Sterne-Bewegung aufzukündigen, sei objektiv betrachtet “schwerwiegend” für das Land und lediglich auf persönliche Interessen zurückzuführen, sagte Conte im Senat in Rom. Conte warf Salvini auch “politischen Opportunismus” vor. Die Krise sei schädlich für das Land. Salvini saß an Contes Seite, ebenfalls Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio. Die Lega habe “14 Monate intensiver Regierungsaktivitäten befleckt, nur um die mediale Werbetrommel zu rühren”, monierte Conte.Salvini verteidigte sich hart gegen die Vorwürfe des parteilosen Conte. “Ich würde alles noch einmal genauso machen, mit der großen Kraft eines freien Mannes”, sagte er. “Ich habe keine Angst vor dem Urteil der Italiener.” Salvini fügte hinzu, dass er von einem Ministerpräsidenten keine “Serie von Beleidigungen” brauche.”Heute ist nach 14 Monaten eine der schlimmsten Erfahrungen in der Geschichte der Republik zu Ende”, erklärte Ex-Regierungschef Matteo Renzi vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD). “Ganz Europa weiß jetzt, dass die Populisten im Wahlkampf funktionieren, aber in einer Regierung scheitern.” Renzi dürstet es nach einer demütigenden Abwahl seiner Partei im vergangenen Jahr nach Rache. Denn die Sozialdemokraten könnten Salvini zusammen mit den Fünf Sternen noch ausbooten und in die Opposition verbannen. “Koalition der Verlierer”Dies nämlich dann, wenn beide Parteien sich zu einer Allianz zusammenraufen würden. Eigentlich sind sie sich spinnefeind – aber sie hätten beide etwas davon: Die Wahlen würden sich verzögern. In Umfragen sind beide weit abgeschlagen. Doch Beobachter warnten schon vor einer “Koalition der Verlierer”, die gegen die vorherrschende Stimmung im Land gehe.Italien steuert auf ein Budgetdefizit von deutlich über 3 % und eine Schuldenquote von 135 % zu. Der Haushaltsentwurf für 2020 muss bis zum 15. Oktober nach Brüssel geschickt werden. Salvini will zwar Neuwahlen, zeigte sich aber bereit, die Koalition bis zur Verabschiedung des Haushalts 2020 und einer Parlamentsreform bestehen zu lassen.